Weil er in Esslingen mit Auto aus Rache zwei Fußgänger angefahren hatte, ist ein 19 Jahre alter Stuttgarter zu einer zweijährigen Jugendstrafe zur Bewährung verurteilt worden – aber nicht wegen, wie zunächst angeklagt, versuchten Mordes, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Esslingen - Eine Demütigung ist im vergangenen Herbst in Esslingen der Auslöser dafür gewesen, dass ein 19 Jahre alter Autofahrer eine junge Frau und einen jungen Mann mit seinem Wagen anfuhr und dabei schwer verletzte. Der Stuttgarter wurde am Montag am Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer zweijährigen Jugendstrafe verurteilt, die unter Auflagen außer Vollzug gesetzt worden ist. Der 18 Jahre alte Beifahrer des 19-Jährigen erhielt wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung eine einjährige Jugendstrafe auf Bewährung.

 

Keine Verurteilung wegen versuchten Mordes

Ursprünglich war der Autofahrer sogar wegen versuchten Mordes angeklagt worden. Doch auch die Staatsanwaltschaft rückte in ihrem Plädoyer von diesem Vorwurf ab, weil keine Merkmale eines versuchten Tötungsdeliktes vorliegen würden. Und auch Hans-Jürgen Wenzler, Vorsitzender Richter der 20. Großen Jugendkammer, betonte in seinem Urteil, dass es zwar „potenziell lebengefährlich“ sei, vorsätzlich auf Fußgänger loszufahren. In diesem Fall in Esslingen habe der Stuttgarter aber kein Motiv gehabt, die beiden Opfer zu ermorden. „Statt dessen wollten Sie sich wegen einer Demütigung rächen und dem Opfer einen Denkzettel verpassen.“

Denn das ebenfalls 19 Jahre alte Opfer war als erstes auf den nun verurteilten Autofahrer losgegangen. Offenbar aus Frust darüber, dass sein Vater kurz zuvor bei einer Schlägerei verletzt worden war, ging der junge betrunkene Mann – er hatte einen Blutalkoholwert von 1,9 Promille – nahe einer Disco auf den Stuttgarter los. Er verpasste dem Zufallsopfer einen Faustschlag ins Gesicht und einen in den Nacken. Die 24-jährige Cousine des Schlägers konnte ihn aber von dem 19-Jährigen wegzerren, sodass sich die Wege zunächst trennten – aber nicht für lange.

Der Autofahrer sann auf Rache

Denn der Stuttgarter sann auf Rache. Mit seinem 18-jährigen Kumpel auf dem Beifahrersitz und einem weiteren Bekannten auf der Rückbank streifte er im Auto durch die Stadt, um den Schläger und dessen Begleiterin ausfindig zu machen. Um 2.20 Uhr entdeckten die jungen Männer das Paar auf einem Gehweg. Was danach genau geschah, rekonstruierten zwei Sachverständige vor Gericht.

Mit einer Geschwindigkeit von mindestens zehn bis 15 Stundenkilometern fuhr der 19-Jährige demnach den Mann und die Frau von hinten an. Dabei touchierte der linke Außenspiegel des Wagens den 19-Jährigen am Bauch und das Opfer prallte zudem gegen die Karosserie des Autos. Auch die 24-Jährige erwischte es: Der Wagen überfuhr den linken Fuß der Frau, die zudem von der Karosserie heftig an der Wange getroffen wurde. Beide Opfer erlitten aber keine Knochenbrüche.

Fünf Monate Untersuchungshaft

Nach der Attacke fuhr der Stuttgarter im Bogen auf den Gehsteig der gegenüberliegenden Straßenseite. Zeugen alarmierten die Polizei, die die drei Männer festnahm. Der Stuttgarter und sein 18-jähriger Beifahrer saßen fünf Monate in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen bei dem dritten Mann im Auto wurden hingegen eingestellt. Die Staatsanwaltschaft warf dem Begleiter keine Tatbeteiligung vor.

Der 18-Jährige, so Richter Wenzler, sei der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig, weil er während der Suche nach dem Paar nicht versucht habe, den Stuttgarter von seinem Racheplan abzuhalten. „Im Gegenteil: Sie haben sich bei der Suche auch noch aktiv beteiligt“, sagte Wenzler.

Den Wagen hatte der Stuttgarter zuvor gestohlen

In das Urteil gegen den Stuttgarter wurde zudem mit einbezogen, dass der 19-Jährige die Tat mit einem gestohlenen Wagen begangen hat und keinen Führerschein besitzt. Einen Monat zuvor war der junge Mann zufällig an die Schlüssel für das Auto gekommen und war wochenlang mit dem Renault Kangoo durch die Gegend gefahren. Er hatte den Wagen verkaufen wollen, aber keinen Abnehmer gefunden.