Der Staatsanwalt fordert vor dem Landgericht Stuttgart eine mehrjährige Gefängnisstrafe wegen Untreue gegen den 70-jährigen Ex-Chef der gemeinnützigen Stiftung.

Stuttgart - Fünf Jahre und vier Monate Gefängnis wegen Untreue, Urkundenfälschung, Insolvenzverschleppung und wegen vorsätzlichen Bankrotts – so lautet die Forderung von Staatsanwalt Andreas Köhler gegen den ehemaligen hauptamtlichen Vorstand der gemeinnützigen Stiftung Nestwerk. Der 70-Jährige habe die Stiftung als eine Art „Selbstbedienungsladen“ angesehen, so der Staatsanwalt.

 

Am 31. Januar will die 6. Strafkammer des Landgerichts das Urteil verkünden. Das wird das unrühmliche Ende einer Unternehmung sein, die 1994 angetreten war, um den Ärmsten der Armen, um Obdachlosen und sozial Benachteiligten in Stuttgart ein Dach über dem Kopf zu bieten. Die Stiftung Nestwerk arbeitete dabei eng mit der Stadt zusammen, der das Engagement von Nestwerk hoch willkommen war. Und eben diese Zusammenarbeit hatte der Stiftung den Vertrauensvorschuss verliehen, um beispielsweise bei Banken Darlehen für Bauvorhaben zu bekommen.

Mit über 100 Schecks Geld abgezweigt

„Die Stiftung hätte wohl nie regelkonform funktionieren können“, mutmaßt Günter Necker, Vorsitzender Richter der 6. Wirtschaftsstrafkammer. Damit gibt er indirekt dem angeklagten Ex-Vorstand der Sozialstiftung recht, der zu Beginn des Prozesses gesagt hatte, schon am ersten Tag der Stiftungsarbeit sei die Rechnung nicht aufgegangen. Es sei eigentlich nie genügend Eigenkapital für die Bauvorhaben vorhanden gewesen.

Das jedoch ist nicht das Thema vor Gericht. Es geht allein um das Tun des 70-Jährigen. Der gebürtige Mannheimer hatte bereits während der Ermittlungen und dann am ersten Prozesstag gestanden, sich an Stiftungsgeldern bedient zu haben. Mehr als eine halbe Million Euro soll er zwischen 2007 und 2010 veruntreut und für private Zwecke verwendet haben. Dafür soll er rund 100 Verrechnungs- und Barschecks selbst ausgefüllt, unterschrieben und zur Auszahlung angewiesen haben.

Die notwendigen Belege und Rechnungen hatte er gefälscht. Wo das Geld geblieben ist? Darauf haben weder das Gericht, der Staatsanwalt noch der Therapeut des Angeklagten eine zufriedenstellende Antwort bekommen. Zwar hatte der 70-Jährige die Tagespflege seiner Mutter, Gärtnerrechnungen und die Hochzeit seines Sohnes damit bezahlt. Dies deckt jedoch die veruntreute Summe nicht ab.

Unterschrift der Bürgermeisterin gefälscht

„Größenwahn und Gier“ hatte der Angeklagte als Motiv angegeben. Die Stiftung und ihr Tochterunternehmen sollen bereits seit 2008 zahlungsunfähig gewesen sein. Um das Geschäft am Laufen zu halten, soll der Ex-Vorstand bei Banken Kredite erschlichen haben. Mehr als neun Millionen Euro habe er ergaunert, die in die GmbH und die gemeinnützige Stiftung geflossen seien. Die Banken wurden über den Tisch gezogen. Der Angeklagte hatte Mietverträge mit der Stadt Stuttgart vorgelegt, die schlicht gefälscht waren. Dafür fälschte er gar die Unterschrift der damaligen Sozialbürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch. Inzwischen hat der 70-Jährige Privatinsolvenz angemeldet. Die Stadt will 4,6 Millionen Euro von ihm.

„Es tut mir alles sehr leid“, sagt der Ex-Nestwerk-Vorstand. Seine Verteidigerin will keinen konkreten Strafantrag stellen. Sie betont aber, dass bei Nestwerk offensichtlich alle Kontrollmechanismen versagt hätten. Das Urteil der 6. Wirtschaftsstrafkammer soll nun am 31. Januar verkündet werden.