Die damals 18-Jährige, deren Kind kurz nach einer heimlichen Hausgeburt im Rems-Murr-Kreis gestorben ist, wird zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Säugling hätte nach Ansicht der Richter überlebt, hätte die Frau für Hilfe gesorgt.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Rems-Murr-Kreis - In dem Prozess gegen eine junge Frau, deren Baby kurz nach einer heimlichen Hausgeburt in einem Keller im Rems-Murr-Kreis gestorben war, ist vor dem Landgericht Stuttgart das Urteil gesprochen worden. Die Zweite Jugendschutzkammer unter Vorsitz von Sina Rieberg befand die heute 21-Jährige der fahrlässigen Tötung für schuldig. Sie habe bewusst in Kauf genommen, dass dass Kind ohne fremde Hilfe bei der Geburt ums Leben kommen könnte, so die Richterin. Die junge Frau wurde zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

 

Schwangerschaft verheimlicht

Wie berichtet, hatte die damals 18-Jährige ihre Schwangerschaft, die Anfang 2014 bei einem One-Night-Stand zustande gekommen war, vor ihrem Umfeld verheimlicht – und wohl auch vor sich selbst verdrängt. Nur ihre Mutter, mit der sie zusammenlebte, ahnte etwas. Doch auch ihr gegenüber leugnete die Tochter die Tatsachen. Sie habe Angst davor gehabt, wie ihr Umfeld reagiert, ihre Ausbildungsstelle nicht verlieren wollen und sich in eine Situation manövriert, aus der sie nicht mehr herauskam, so die Einschätzung des Gerichts.

In der Nacht auf den 19. Oktober vor mehr als zwei Jahren war die Lage eskaliert. Als nach einer Geburtstagsparty auf dem langen Heimweg die Fruchtblase platzte, bemühte sich die werdende Mutter nicht um Hilfe, sondern zog sich, nach mehreren Stunden zu Hause angekommen, in einen kleinen Kellerraum des Mehrfamilienhauses zurück. Dort brachte sie allein und über Stunden hinweg einen Jungen zur Welt. Nach Einschätzung eines medizinischen Sachverständigen hätte der 53 Zentimeter große und 3800 Gramm schwere Säugling gute Überlebenschancen gehabt, wenn er richtig versorgt worden wäre.

Die junge Frau wickelte den Säugling zwar notdürftig in Tücher ein, fiel aber wegen der Geburtsanstrengungen und hohen Blutverlusts in eine Art Dämmerzustand. Zudem konnte sie sich aufgrund einer Nervenquetschung kaum bewegen. Als sie sich mehrere Stunden später nach oben in die Wohnung begab, war der Junge bereits tot. Laut dem medizinischem Gutachten hatte er zwischen fünf und 30 Minuten gelebt und war dann wegen Sauerstoffmangels gestorben – vermutlich, weil seine Atemwege bedeckt waren.

Da erst offenbarte die Tochter ihrer Mutter, was nicht mehr zu verheimlichen war. Gemeinsam beschlossen die beiden Frauen, das tote Kind in der Babyklappe des Stuttgarter Weraheims abzulegen. Dort meldete sich die Tochter am nächsten Morgen, bevor sie ihre eigenen Geburtsfolgen in der Frauenklinik behandeln ließ.

Richterin: Schwere Schuld

Dass die junge Frau den Tod ihres Kindes aktiv herbeigeführt oder billigend in Kauf genommen hatte, glaubte die Kammer nicht. Wohl aber habe sie schwere Schuld auf sich geladen. „Hätten Sie Hilfe gehabt – und das hätte noch nicht einmal ein Arzt oder eine Hebamme sein müssen – hätte das Kind überlebt“, so die Vorsitzende Richterin. Die damals 18-Jährige habe sich schon unterwegs, als die Fruchtblase platzte, dagegen entschieden, einen Notruf abzusetzen. Und es spreche alles dafür, dass sie sich bewusst dafür entschieden habe, das Kind heimlich in dem ungeheizten Keller zur Welt zu bringen, obwohl sie sich in keiner Weise darauf vorbereitet hatte. Sie habe darauf vertraut, dass irgendwie alles gut gehen werde. Das Wohl des Kindes habe für sie durchaus eine Rolle gespielt, aber sie habe der Verheimlichung alles untergeordnet. Als werdende Mutter hätte sie hingegen sicherzustellen gehabt, dass bei der Geburt alles gut gehe.