Drei Jahre und drei Monate Gefängnis – so lautet das Urteil des Landgerichts Stuttgart gegen einen sogenannten Enkeltrickbetrüger. Der Erfinder der perfiden Betrugsmasche steht derzeit in Polen vor Gericht.

Stuttgart - Es kommt nicht oft vor, dass sich ein 31 Jahre alter Angeklagter vor einer Jugendstrafkammer verantworten muss. Am Landgericht Stuttgart war dies am Montag der Fall. Die erste dem Mann vorgeworfene Tat datiert aus dem Jahr 2005. Damals war der gebürtige Frankfurter 19 Jahre alt, also ein Heranwachsender – und darauf kommt es an.

 

Der vierfache Vater, das fünfte Kind ist unterwegs, soll einer Bande von Enkeltrickbetrügern und -betrügerinnen angehört haben. Die Täter, die diese Masche seit etlichen Jahren anwenden, haben ältere Menschen bereits um Millionen Euro gebracht.

Auf der Anklagebank vor der 3. Jugendstrafkammer sitzt ein eher kleiner Fisch. Er wurde von den Bossen, die in diesem Fall in Polen saßen, meist als Abholer oder als Schmieresteher eingesetzt. Das Geld, das die Bande Rentnerinnen und Rentnern abgenommen hat, floss den Bossen zu, die Abholer bekamen nur einen kleineren Lohn.

Täter suchen nach älteren Vornamen

Die Serie, die dem berufslosen Mann vorgeworfen wird, nahm ihren Anfang 2005 in Mannheim. Dort soll er mit mehreren Komplizinnen und Komplizen ein betagtes Opfer um 5000 Euro betrogen haben. Die Masche ist dabei immer dieselbe. Die Täter im Hintergrund durchsuchen Telefonbücher nach Vornamen wie Erich, Gerhard, Erna, Gertrud, Hedwig – Namen, die in der Regel ältere Menschen tragen.

Ein Anrufer, im Bandenjargon Keiler genannt, nimmt telefonisch Kontakt auf: „Rate mal, wer hier ist.“ Wenn das Opfer einen Verwandten zu erkennen glaubt, wird eine finanzielle Notlage vorgegaukelt und um schnelle Hilfe gebeten – in bar. Ein Abholer nimmt das Geld in Empfang, weitere Bandenmitglieder sichern die Übergabe ab.

Zwischen 2005 und 2010 soll die Bande unter anderem in Stuttgart, Mannheim, Freiburg, Offenbach, Karlsruhe, Frankfurt, Essen, Baden-Baden, Rottweil, Regensburg und Augsburg ältere Menschen um mehr als 200 000 Euro betrogen haben. In Stuttgart haben die Täter 2009 Menschen im Alter von 89, 81 und 88 Jahren um insgesamt 25 000 geprellt. Bei einer 71-jährigen Frau scheiterte der Betrugsversuch.

41 solcher Enkeltrickbetrügereien listet Staatsanwalt Michael Wahl auf. Einige der Komplizen des Mannes sind bereits rechtskräftig verurteilt.

Vor dem Prozess geflüchtet

Auch der 31-Jährige hätte im Juni 2011 vor Gericht stehen müssen. Weil er zuvor Aufklärungshilfe geleistet hatte, wurde sein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Offenbar hatte er aber mitbekommen, dass es für ihn nicht zu einer Bewährungsstrafe reichen würde. Er setzte sich nach Polen ab, was einen internationalen Haftbefehl gegen ihn zur Folge hatte.

Dingfest wurde er aber erst 6. April dieses Jahres gemacht. Die polnische Polizei nahm ihn in Breslau fest und überstellte ihn nach Stuttgart. Hier hat er ein Geständnis abgelegt. Vor Gericht erscheint er mit gleich drei Verteidigern, die sein Geständnis vor der 3. Strafkammer wiederholen.

Als Erfinder des Enkeltrickbetrugs gilt Arkadiusz L., der in seinen Kreisen nur Hoss genannt wird. Der heute 49-Jährige soll die Masche in der 1990er-Jahren in Hamburg erstmals angewandt haben. In den Folgejahren entwickelte sich Arkadiusz L. für seine Verfolger zum Phantom.

Gefeiert wird mit Kaviar und Champagner

Als ihm die deutschen Ermittler auf die Spur kamen, flüchtete er nach Polen, wo er mit der Polizei Katz’ und Maus spielte – und mit seinen Betrügereien steinreich wurde. Auch seine Komplizen profitierten reichlich. In einer Spiegel-TV-Reportage sieht man den 49-Jährigen mit Clanmitgliedern, wie sie mit teuren Autos vorfahren und sich Kaviar und Champagner schmecken lassen. Einige Gäste ließen sich mit Hubschraubern zu der Party bringen.

Schon 2007 gab es einen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den Clanchef. Unbestätigten Informationen zufolge zahlte Arkadiusz L. daraufhin einem Mediziner 25 000 Euro für ein Gutachten, in dem ihm ein schweres Herzleiden attestiert wurde. Inzwischen steht der Multimillionär seit Juni dieses Jahres in Polen vor Gericht und schweigt. Mit ihm sitzen seine Schwester und sein Bruder auf der Anklagebank.

Der Angeklagte in Stuttgart wird am Montag von der 3. Strafkammer schließlich zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Der Prozess dauerte nur wenige Stunden, da sich die Beteiligten vorab verständigt hatten.