Ein 29 Jahre alter Mann hat vor dem Landgericht Stuttgart gestanden, sich mit gefälschten Unterlagen einen Job bei einer Stuttgarter Versicherung erschlichen und dann kräftig in die Kasse gegriffen zu haben.

Stuttgart - Ja, er habe sich den Arbeitsplatz bei der Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Stuttgart-Weilimdorf ergaunert. Allerdings widerspricht der Angeklagte dem Staatsanwalt, der vorträgt, der 29-Jährige habe den Job nur angenommen, um seinen Arbeitgeber zu betrügen. „Ich wollte keinen Bockmist bauen“, so der gebürtige Karlsruher vor der 8. Strafkammer. Allerdings hatte ihm zuvor eine andere Versicherung fristlos gekündigt, weil er sie um 5800 Euro betrogen hatte. Dafür ist der Mann bereits rechtskräftig verurteilt.

 

Der gelernte Versicherungskaufmann sagt, er habe sich etliche Male um eine Stelle beworben, aber immer nur Absagen bekommen. „Dann habe ich es mit ausgeschmückten Bewerbungsunterlagen versucht“, so der 29-Jährige. Und plötzlich seien ihm drei Vorstellungsgespräche ins Haus geflattert. „Ausgeschmückt“ heißt: Er gab seine Anstellungszeiträume bei anderen Versicherungen länger an als sie gewesen waren und er fälschte zwei Arbeitszeugnisse. Am 11. April 2014 stellte er sich in Stuttgart vor, am 1. Juni trat er seinen ersten Arbeitstag als Kundenberater im Innendienst an. Und schon im ersten Monat griff er im übertragenen Sinn in die Kasse.

Geld von gestorbenen Kunden einkassiert

Als Kundenberater und später in der Abteilung Prozessmanagement verfügte er über eine Einzelvollmacht von 50 000 Euro. Über 100 000 Euro konnte er in Absprache mit einem Kollegen nach dem Vier-Augen-Prinzip entscheiden. Vom 26. Juni 2014 bis zum 21. Januar 2016 hat sich der 29-Jährige laut Anklage 333 644, 54 Euro auf seine fünf Privatkonten überwiesen. Dafür manipulierte er die Buchhaltung und fingierte Zusatzleistungen für Versicherungskunden, die er dann abgriff.

Der Angeklagte war unter anderem zuständig für Postrückläufer. Wenn Kunden, die Geld zu bekommen hatten, unbekannt verzogen oder gestorben sind, musste er den Aufenthalt dieser Kunden oder deren Erben herausfinden. Immer wieder soll er in diesen Fällen Versicherungszahlungen auf seine Konten geleitet haben. Einige Male fälschte er Briefe von Kunden inklusive deren Signaturen, um an Geldbeträge zu kommen – insgesamt 70 Mal. Der Staatsanwalt wirft ihm Betrug, Unterschlagung und Urkundenfälschung vor. Der Mann hat, bis auf 5000 Euro, die er unbeabsichtigt falsch verbucht habe, alle Vorwürfe gestanden. „Ich bereue sehr, was ich getan habe“, so der Angeklagte.

Er sei aus seinen finanziellen Problemen nicht herausgekommen, sagt der 29-Jährige. „Ich war ziemlich tief im Glücksspiel drin.“ Zudem lebte er einige Zeit mit zwei Frauen in zwei Wohnungen zusammen, zahlte also zwei Mieten. Schnellen Autos war er auch nicht abgeneigt, und: „Bei mir war auch noch Zahnersatz fällig.“

Angeklagter zahlt 150 000 Euro zurück

Eigentlich hört sich sein Lebenslauf gut an. Er schließt die Realschule ab, lernt Bürokaufmann, bildet sich zum Fachwirt für Versicherungen und Finanzen weiter und belegt einen Bachelor-Studiengang für Business und Management. Trotzdem ist er auf die schiefe Bahn geraten. Ob die massiven Probleme mit seinem Vater ein Grund für die Betrügereien sind, bleibt vorerst ungeklärt. Er habe sich nie wertgeschätzt gefühlt, so der Mann. Sein Mandant habe gar einmal den Plan gehabt, die Wohnung, in der sein Vater seit Jahrzehnten wohnt, zu kaufen – um ihn dann hinauszuwerfen, sagt Verteidiger Achim Wizemann.

Am 4. Februar dieses Jahres flog der Schwindel auf. Die 70. Transaktion in Höhe von 51 000 Euro aufs eigene Konto war die letzte. Zehn Tage später nahm die Polizei den Mann fest. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Er hat bereits rund 150 000 Euro Schadenswiedergutmachung geleistet. Ein psychiatrischer Gutachter soll einschätzen, wie es um die Spiel- und Alkoholsucht des Angeklagten steht. Der Prozess wird am 2. September fortgesetzt.