Der Richter ist sich sicher: Es war ein Fall von Rache. Ein 33-Jähriger hat einem Beamten bei einem Hinterhalt in den Hals gestochen. Jetzt wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Stuttgart - Wegen versuchten Mordes in zwei Fällen hat die 1. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts unter Leitung der Vorsitzenden Richterin Regina Rieker-Müller am Donnerstag einen 33-Jährigen zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Der Staatsanwalt und ein Nebenkläger hatten auf 13 Jahre plädiert, der Verteidiger des Angeklagten hielt sieben Jahre für angemessen.

 

„Weil die beiden angegriffenen Polizeibeamten die Sache einigermaßen glimpflich überstanden haben“, so Rieker-Müller in ihrer mündlichen Urteilsbegründung, habe der Strafrahmen von bis zu 15 Jahren Haft etwas abgemildert werden können. Für den Angeklagten sprach zudem, dass er die Tat gestanden und sich bei den Opfern entschuldigt habe. Bei der Straffestsetzung berücksichtigt wurden auch seine „krisenhafte persönliche Situation“ mit Arbeitslosigkeit, Familienstreit und erlittenen Verletzungen vor und während der Tat sowie der erhebliche Einfluss von Alkohol. Für das Gericht stand nach der Beweisaufnahme in zwei Tagen Hauptverhandlung zweifelsfrei fest, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat an der Polizei rächen wollte, nachdem er sich bei der Erstattung von zwei Anzeigen wenige Stunden zuvor nicht angemessen behandelt gefühlt habe. Dafür hatte er in der Nacht des 10. Juli 2016 unter Vortäuschung eines Notfalls zwei Beamte in eine Tiefgarage in der Erwin-Hageloh-Straße im Hallschlag gelockt. Dort stach der Angeklagte für die Polizisten völlig unerwartet dem ersten sein Messer in den Hals und ging danach mit dem Tatwerkzeug sofort auf den zweiten Beamten los. Erst mit der Schusswaffe konnten die Polizisten den Angreifer handlungsunfähig machen. Seitdem sitzt er in Haft.

Richter sicher: Der Angeklagte wollte sich rächen

Die von der Verteidigung verfolgte Strategie, dass der Angeklagte durch sein Verhalten die Polizisten lediglich provozieren wollte, ihn zu erschießen (das wird auch „Suicide by Cop“ genannt) und damit den Wunsch einer Selbsttötung umzusetzen, sah das Gericht als widerlegt an. „Der gezielte Angriff auf den Hals zeigt, dass er dem Beamten das Leben nehmen wollte“, führte die Richterin aus. Nur dem Zufall sei es zu verdanken gewesen, dass es kein vollendeter Mord wurde. Die Messerklinge war nur knapp neben der Halsschlagader des Opfers eingedrungen – insgesamt rund 1,5 Zentimeter tief .

Der Täter schämt sich für sein Verhalten

Als den „völlig falschen Weg der Umsetzung“ bezeichnete der Verteidiger den Entschluss seines Mandanten, aus dem Leben zu scheiden zu wollen. Dies habe der Angeklagte eingesehen. Tatsächlich hatte der gelernte Industriemechaniker, der im Kindesalter von seinem polnischen Geburtsort nach Stuttgart gekommen war und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, in seinem Schlusswort gesagt: „Was ich gemacht habe, war große Scheiße. Ich wollte niemanden töten, ich schäme mich dafür.“Das Gericht ordnete zudem an, dass der mehrfach Vorbestrafte nach der Verbüßung von vier Jahren Freiheitsstrafe in eine geschlossene Entzugsanstalt eingewiesen wird. „Es besteht die Gefahr für weitere Taten, wenn er sein Verhalten in Bezug auf den übermäßigen Alkoholkonsum nicht ändert“, so die Richterin. Der Verurteilte zeigte sich bereit für eine Therapie.