Ein junger Sindelfinger soll einen 18-Jährigen beraubt und die Mutter seines Kindes verprügelt haben – unter anderem.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Diesmal ist der Angeklagte erschienen, zwangsläufig. Zum eigentlichen Prozessauftakt im Januar „waren wir alle schon einmal hier“, sagt der Richter Joachim Holzhausen, mit Ausnahme des Mannes, der einer ganzen Reihe von Straftaten verdächtig ist. Der 22-Jährige war verschollen. Die Polizei verhaftete ihm am 17. Februar. Seitdem sitzt er im Gefängnis, nicht in Untersuchungshaft, sondern wegen eines vorangegangenen Urteils.

 

Der 22-Jährige Sindelfinger ist beim Amtsgericht Böblingen gut bekannt. Er hatte bereits eine anderthalbjährige Jugendstrafe in Adelsheim abgesessen. Weil die Amtsrichter in einem weiteren Verfahren eine bis zu fünf Jahre währende Gefängnisstrafe hätten aussprechen können, verwiesen sie den Fall in die nächsthöhere Instanz, zum Landgericht Stuttgart.

Ein Goldschmied verwechselt Messing mit Gold

Die Staatsanwältin Amira Kaiser verliest die Anklageschrift. Im Vergleich vernachlässigbar sind eine Autofahrt ohne Führerschein, der Besitz einiger Gramm Marihuana und das illegale Aufzeichnen von Gesprächen. Schwerer wiegt schon der Vorwurf, der junge Sindelfinger habe knapp 160 Gramm Messing als Gold angeboten. Er fand tatsächlich einen Goldschmied, der ihm für das nahezu wertlose Metall 1300 Euro zahlte. Bis hierher dürften die Taten unstrittig sein. Der Angeklagte hat sie zum Prozessauftakt gestanden.

Die härtesten Vorwürfe sind hingegen umstritten. Laut Anklageschrift hat der 22-Jährige seine damalige Freundin und Mutter seiner Tochter verprügelt und ihr mit gezücktem Messer mit dem Tod gedroht, samt der in solchen Fällen üblichen Begleiterscheinungen wie einer eingetretenen Wohnungstür. Dass er gegenüber seiner Lebensgefährtin gewalttätig war, mehrfach, leugnet der 22-Jährige nicht. In seiner Version der Geschehnisse hat aber die junge Frau auf ihn eingeprügelt, bis er gezwungen war, sich zu wehren.

Ein anderes Verfahren wegen Körperverletzung wurde eingestellt, aber übrig blieb eine Akte mit Fotos. Die Frau „hatte am ganzen Körper blaue Flecken“, sagt die Staatsanwältin. Seine Freundin sei eben „sehr gewalttätig“, antwortet der Angeklagte. Einen weiteren Angriff auf sie mitten in Sindelfingen leugnet er gänzlich.

Der schwerste Verdacht ist der einer räuberischen Erpressung

Eine langjährige Strafe dürfte den 22-Jährigen erwarten, wenn sich der Verdacht der schweren räuberischen Erpressung beweisen lässt. Allerdings offenbarte der erste Prozesstag vor allem, dass das Gericht sich schwer tun dürfte, die volle Wahrheit zu ergründen. Fest steht: Vier junge Männer waren an einem Geschäft beteiligt, das im Februar 2016 auf einem Spielplatz nahe einer Sindelfinger Schule abgewickelt werden sollte. Der Angeklagte ist der älteste von ihnen, der jüngste war damals 16 Jahre alt. Sogar über die Ware und darüber, wer Käufer und Verkäufer war, herrscht Uneinigkeit.

In der Version der Staatsanwaltschaft steht immerhin fest, wer Täter war und wer Opfer. Sie liest sich so: Der Angeklagte soll ein Mobiltelefon zum Verkauf angeboten haben – oder auch Marihuana. Dies bleibt offen. Statt die Ware zu übergeben, soll er den Kaufinteressenten niedergeschlagen und ihm Pfefferspray in die Augen gesprüht haben. Danach soll er mit dem Geld, 730 Euro, und der Ware geflohen sein.

In der Version des Angeklagten standen 100 Gramm Marihuana zum Verkauf

In der Version des Angeklagten standen 100 Gramm Marihuana zum Verkauf, und als Preis waren 800 Euro vereinbart. Der Käufer habe aber nur 720 Euro dabei gehabt. Als er 20 Gramm der Drogen aus dem Beutel nehmen wollte, sei er angegriffen worden und habe sich verteidigt. Das Pfefferspray habe nicht er versprüht, sondern der Käufer.

Unstrittig ist, dass ein 18-Jähriger mit zerschlagenem Gesicht einige Tage später den Angeklagten bei der Polizei anzeigte. In seiner Version ging es um ein Telefon, ansonsten entspricht sie der Anklageschrift. Vermittelt haben sollen das Geschäft – gleich welcher Art – zwei Bekannte. Der eine von ihnen verweigerte vor Gericht die Aussage, um sich nicht womöglich selbst zu belasten. Laut dem Zweiten, einem 17-Jährigen, sollten zwei Gramm Marihuana den Besitzer wechseln. Der Angeklagte soll aber nicht der Verkäufer, sondern der Käufer gewesen sein. „Das ist die dritte Geschichte“, sagte der Richter. „Ich frage mich, ob sie auf der gleichen Hochzeit gewesen sind.“