Zwei Handwerker packen die Integration von Asylbewerbern an. Für ihre Bemühungen um die Integration haben sie einen Preis des Landkreises gewonnen.

Aidlingen/Herrenberg - Bashir Saidi ist noch kein Jahr in Deutschland. Drei Monate dauerte seine beschwerliche Flucht von Afghanistan bis nach Herrenberg. Deutschland war das Ziel des 19-Jährigen, für ihn das gelobte Land. Und seine Erwartungen wurden erfüllt. Elf Monate nach seiner Ankunft hat der junge Mann einen Ausbildungsplatz, ein kleines Apartment und – ganz wichtig für ihn – Familienanschluss.

 

All dies macht der Herrenberger Traugott Binder möglich. Er hat den jungen Afghanen aufgenommen – als Lehrling in seinem Ofenbauerbetrieb. Aber er bietet ihm noch viel mehr: eine Rundumbetreuung. „Traugott ist jetzt mein Vater“, sagt Bashir, dessen eigener Vater nicht mehr lebt. Binder ist begeistert von seinem Ziehsohn. „Bashir ist sehr höflich. In seiner Kultur hören die jungen Leute noch auf Erwachsene, anders, als das bei uns oft ist.“

Ähnliches berichten auch die Aidlinger Malermeister Hans-Joachim Jusztusz und Hartmut Nietsch über ihren Schützling Omar Abdelkarim. Seit September absolviert der 20-Jährige eine Ausbildung in ihrer Firma. Doch die beiden Chefs des kleinen Betriebs mit vier Mitarbeitern und zwei Lehrlingen kennen den Syrer schon länger. Zuvor absolvierte der junge Mann ein Praktikum in ihrer Werkstatt. Ein Schuljahr lang in jeder Woche einen Tag. Omar sei in seinem Arbeitseifer kaum zu bremsen, berichtet Jusztusz. „Abends um fünf müssen wir ihn heimschicken. Und dass samstags frei ist, gefällt ihm nicht.“

Trotz allen Arbeitseifers bleiben Schwierigkeiten

Schwierigkeiten gibt es trotzdem jede Menge. Auch wenn der 20-Jährige mittlerweile drei Jahre in Deutschland ist und schon gut Deutsch spricht, fällt ihm der Berufsschulunterricht nicht leicht. Deshalb kooperiert der Malerbetrieb mit dem Bildungsträger IB, der Omar beim Lernen unterstützt. Auch die schwäbischen Kunden versteht der Syrer nicht immer. Stolz zählt er auf, welche Mundartwörter er schon beherrscht. „Kehrwisch und Kutterschaufel“ und „komm mal geschwind“.

Die größte Schwierigkeit bei der Einstellung des Flüchtlings sei aber die Bürokratie gewesen, sagt Hartmut Nietsch. „Wir sind von einem Amt zum anderen gelaufen.“ Heute empfiehlt er anderen Unternehmen, die Flüchtlinge einstellen wollen, den Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur als erste Anlaufadresse.

Trotz aller Hindernisse und Probleme ist es für die Malermeister selbstverständlich, den Syrer zu unterstützen. „Wenn ich mir vorstelle, ich wär in dieser Situation und müsste irgendwo neu anfangen, wäre ich dankbar, wenn man mir auch so helfen würde“, sagt Nietsch. Er ist überzeugt, dass gerade die kleinen Handwerksbetriebe besonders geeignet sind für die Integration von Flüchtlingen. „Wir können individuell auf jeden Einzelnen eingehen.“

Der Ofenbauer engagiert sich auch für Hilsprojekte

Für den Ofenbauer Binder ist die Einstellung des Afghanen ein Ausdruck seines christlichen Engagements. Der 56-Jährige ist auch sonst in viele Hilfsprojekte involviert, besonders in Uganda. Für Benefizaktionen zugunsten eines Waisenhauses in dem afrikanischen Land spannt er auch regelmäßig Bashir ein, der dann im Holzofen Flammkuchen backt. Dass Bashir Muslim ist, stört den gläubigen Christen Binder nicht. „Ich missioniere ihn nicht, aber manchmal geht er mit uns in die Kirche.“ Genauso stehen aber auch gemeinsame Ausflüge in den Zirkus oder das Essen im Familienkreis auf dem Programm.

Für dieses Engagement zeichneten kürzlich der Sozialminister Manfred Lucha und der Landrat Roland Bernhard die beiden Handwerksbetriebe aus. Mit dem ersten Preis und 8000 Euro bedachten sie die Aidlinger Malerwerkstatt, auf Platz zwei landete der Ofenbauer Binder, der 6000 Euro erhielt. Zum dritten Sieger kürte das Landratsamt die Böblinger Firma Compart, die Deutschkurse und Bewerbungstraining für Flüchtlinge anbietet.

Alle drei Preisträger investieren das Preisgeld in ihr Engagement. Die Maler Jusztusz und Nietsch bezahlen Omar den Führerschein, damit er auch den Firmentransporter lenken kann. Zudem unterstützen sie Projekte in den Vorbereitungsklassen der Gottlieb-Daimler-Schule. Auch der Ofenbauer Binder finanziert seinem Schützling Bashir den Führerschein und spendet den Rest des Preisgelds nach Uganda. Die Compart AG möchte Computerstationen für die Flüchtlinge einrichten.

Den viel gescholtenen Satz Merkels „Wir schaffen das“ können die Handwerker unterschreiben. „Allerdings mit einem Zusatz“, sagte Jusztusz. „Wir schaffen das. Aber es dauert, und man muss etwas dafür tun. Das hat Merkel vergessen zu sagen.“