Im Stuttgarter Landtag ist es hoch her gegangen. Nach lautstarken Beschimpfungen hat die grün-rote Regierung die Entlassungsanträge der Opposition einstimmig abgelehnt. Solche Verbalattacken hat das Haus selten erlebt.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) war geladen, der Kultusstaatssekretär dagegen so entspannt, dass er aus dem Lächeln gar nicht mehr herauskam. Frank Mentrup (SPD) scheint täglich zu frohlocken, dass er dem Kultusministerium den Rücken kehren und sich an die Spitze des Karlsruher Rathauses stellen kann. Deutlich weniger gelassen verbrachte Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) den Freitag Vormittag. Erst um elf Uhr nahm sie erleichtert lächelnd den Händedruck ihrer Amtsleiterin Margret Ruop entgegen. Da hatten die Regierungsfraktionen die Forderung von CDU und FDP, die Ministerin zu entlassen, einmütig abgelehnt. Der erwarteten Entscheidung war eine eineinhalbstündige parlamentarische Auseinandersetzung vorausgegangen, die ihresgleichen sucht.

 

Dabei wurde die Debatte um die Entlassungen der Kultusministerin und dem stellvertretenden Ministerpräsidententen Nils Schmid (SPD) unversehens in den Hintergrund gerückt. Denn der Regierungschef selbst glühte vor Zorn: Viel lieber hätte Winfried Kretschmann sein Amt als Bundesratspräsident in Berlin ausgeübt und seine Rede zum Gedenken an die vom Naziregime verfolgten Sinti und Roma gehalten. Dass die CDU ihm das verwehrt hat, das nahm Kretschmann der Oppositionspartei richtig übel.

Die Verschiebung der Debatte wurde „kühl abgelehnt“

Der Kultusministerin sollte hingegen zu denken geben, dass Kretschmann ihretwegen nicht nach Stuttgart zurückgekehrt wäre. „Diesen Antrag hätte mein Stellvertreter Schmid zurückweisen können“, erklärte der Regierungschef. Doch als der stellvertretende Ministerpräsident am Donnerstag Abend selbst ins Visier der Opposition geriet, war klar, „dass ich hier sein muss. Das gebietet der Respekt vor dem Haus“, so Kretschmann.

Warum die Anträge und die Debatte aber nicht verschoben wurden, darüber wurde im Plenarsaal und auf den Gängen sehr intensiv diskutiert. Um 14 Uhr hätte er wieder in Stuttgart sein können, rechneten Kretschmann und seine Staatsministerin Silke Krebs vor. Da wäre die Rede in Berlin gehalten gewesen. Kretschmann sagt, der Chef der CDU-Fraktion, Peter Hauk, habe seine telefonische Bitte, die Anträge auf den Nachmittag zu verschieben „kühl abgelehnt“. Hauk wiederum behauptet, Kretschmann habe von Mittwoch gesprochen, „vom Nachmittag war nie die Rede“. Überhaupt habe Kretschmann ihn nicht ausdrücklich um Verschiebung gebeten. Dass er das jetzt so darstelle, das nimmt Hauk „persönlich übel“.

„Herr Ministerpräsident, Sie sind ein Heuchler“

Beleidigt war auch Hans-Ulrich Rülke, der Vorsitzende der FDP-Fraktion, weil ihn Winfried Kretschmann gar nicht angerufen hat. Das wiederum hielt der Ministerpräsident nicht für nötig, da die Liberalen ja nur die Entlassung der Kultusministerin und nicht die des Finanz-und Wirtschaftsministers gefordert hatte.

Eindeutig wurde das Problem nicht gelöst. Es blieben heftige Vorwürfe. „Herr Ministerpräsident, Sie sind ein Heuchler“, rief der frühere Kultusminister Helmut Rau (CDU). Kretschmann hatte seine Befürchtung ausgedrückt, die Sinti und Roma könnten irritiert sein und glauben, ihm seien andere Dinge wichtiger als das Gedenken. Hans-Ulrich Rülke fand es „eine Infamie, die sich seit 60 Jahren keiner ihrer Vorgänger geleistet hat“, dass Kretschmann „die Opposition in die Nähe von Leuten gerückt hat, die das Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus nicht zulassen wollen“.

Die „Baustellen“ in der Schulpolitik sind der Ministerin über den Kopf gewachsen

Die Vorwürfe standen im Raum, wie auch die Anschuldigungen gegen die beiden Minister. „Die Bildungspolitik hat versagt“, konstatierte Peter Hauk und die Verantwortung trage Gabriele Warminski-Leitheußer. Die „Baustellen“ in der Schulpolitik seien ihr längst über den Kopf gewachsen. Bei der Ausübung ihrer Dienstpflichten zeige sie eine „enorme Unzuverlässigkeit“. Durch ihr Verhalten „gibt sie das Amt der Lächerlichkeit preis“ und gelogen habe sie auch. Sie sage, es gebe keine Zahlen darüber, wie viele Grundschüler auf Gemeinschaftsschulen wechselten. Dabei habe das Statistische Landesamt sie längst erhoben. Die FDP hält die Kultusministerin in jeder Hinsicht für überfordert. Das Betriebsklima im Ministerium sei katastrophal, die Ministerin bekomme ihren Terminplan nicht in den Griff.

Die CDU nimmt den Finanz-und Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten in Mithaftung. Erst am Freitagmorgen bekamen die Abgeordneten überraschend den Entlassungsantrag für Nils Schmid auf den Tisch. Ein Vorgang, den Hauk selbst einmalig nennt. Man habe schon länger darüber nachgedacht, so Hauk. Den Ausschlag habe die Demonstration der GEW am Donnerstag gegeben. Die Kultusministerin sei das Bauernopfer der SPD für deren „fehlgeleitete, motivationslose Haushaltspolitik“. Der Schuh sei Schmid „deutlich zu groß“. Er sei als Finanzminister überfordert, als Wirtschaftsminister finde er nicht statt. Die CDU hält ihn für „untragbar“. Auch er habe gelogen, als es um die Klage vor dem Internationalen Schiedsgericht wegen des Kaufpreises für die EnBW-Aktien ging. Schmid habe die Sache zu unrecht als vertraulich eingestuft.

„Ihnen geht’s um Rabatz“, wirft Schmiedel der Opposition vor

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel wies den Vorwurf lautstark zurück. „Ihnen geht's um Rabatz“, warf er der Opposition vor. Wie Edith Sitzmann (Grüne) bekräftigte auch er, die Koalition werde die Reformen in der Bildungspolitik fortführen.

Beide Anträge wurden erwartungsgemäß abgelehnt. Dass die Regierungsfraktionen auf die Ablehnung eingeschworen worden seien, bestätigten Regierungsmitglieder nicht. Man habe aber darauf geachtet, dass niemand fehlt. Die Diskussion um die Führung des Kultusministeriums ist damit nicht beendet.