Und jährlich grüßt das Murmeltier: Steigende Diäten sorgen regelmäßig für miese Stimmung im Landesparlament. Die Grünen wollen ihr Gehaltsplus spenden, die anderen Fraktionen halten das für Populismus pur.

Stuttgart - Die turnusmäßige Erhöhung der Abgeordnetendiäten zum 1. Juli hat auch in diesem Jahr zu Turbulenzen im Landtag geführt. Eine große Koalition aus CDU, SPD und FDP lehnte im Parlamentspräsidium den Vorstoß der Grünen ab, die Diätenanhebung um ein Jahr zu verschieben. Die Fraktionschefin Edith Sitzmann hatte dieses Ansinnen mit Blick auf die Beamten begründet, die zumindest in den höheren Rängen nach dem Willen der rot-grünen Koalition ebenfalls ein Jahr auf die Besoldungserhöhung warten müssen.

 

So aber steigen die Diäten der 138 Abgeordneten von 6975 Euro um 3,21 Prozent auf 7199 Euro pro Monat. Die Höhe des Zuschlags ergibt sich aus dem 2005 mit den Stimmen der damaligen CDU-FDP-Koalition eingeführten Indexierungsverfahren, das die Abgeordnetenbezüge an die allgemeine Einkommensentwicklung in der Wirtschaft und – mit deutlich geringerem Gewicht – im öffentlichen Dienst koppelt.

Flucht in ein quasi mathematisch-objektives Verfahren

Die Berechnung nimmt das Statistische Landesamt vor. Dieses Modell, das auch in Bayern praktiziert wird, ist durchaus heikel, hatte doch das Bundesverfassungsgericht in seinem Diätenurteil aus dem Jahr 1975 festgelegt, die Parlamente hätten „vor den Augen der Öffentlichkeit“ in eigener Verantwortung über ihre Bezüge zu entscheiden. Doch den Abgeordneten bereitete es zunehmend Verdruss, jährlich selbst über die eigenen Bezüge befinden zu müssen, weil das jeweilige Ergebnis – unabhängig von seiner Qualität – von der Öffentlichkeit regelmäßig ungnädig aufgenommen wurde. Also flüchteten sie in ein quasi mathematisch-objektives Verfahren, das jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode in Gang gesetzt wird.

Dies geschah auch im Juni 2011. Hans-Ulrich Sckerl, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, sagte damals: „Wir können heute sagen, dass es sich als ein gutes und transparentes Verfahren bewährt hat. Es ist objektiv, es folgt im Kernbereich, bei der Entschädigung der Abgeordneten, der allgemeinen Einkommensentwicklung. (. . .) Die Zahlen sind unbestechlich, jede Bürgerin, jeder Bürger kann sie nachprüfen.“

Schmiedel: „populistischer Zug“

Dass die Grünen dennoch zum wiederholten Mal – im vergangenen Jahr forderten sie eine Nullrunde statt der 3,2-Prozent-Steigerung – für eine Aussetzung des Indexierungsmodells plädieren, wird ihnen von den anderen Fraktionen krumm genommen. Claus Schmiedel (SPD) spricht von einem „populistischen Zug“, den der Koalitionspartner erkennen lasse. CDU und FDP werfen den Grünen vor, ihren Antrag auf Verschiebung offiziell gar nicht eingereicht zu haben. Dahinter steckt der Vorwurf, die Grünen wollten sich öffentlich als „Gutmenschen“ darstellen, setzten aber insgeheim darauf, mit der Verschiebung nicht durchzukommen und die Diäterhöhung doch zu kassieren. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagt, bei einem entsprechenden Antrag der Grünen wäre seine Fraktion zur „wohlwollenden Prüfung“ bereit gewesen. Dagegen findet CDU-Fraktionschef Peter Hauk, die Abgeordneten dürften nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden.

Grünen-Fraktionschefin Sitzmann verweist dagegen auf den von ihrer Fraktion erarbeiteten Gesetzentwurf, der es ermöglicht hätte, vom Automatismus der Diätenanpassung abzuweichen. Darin heißt es, der Landtag könne „beschließen, dass eine Erhöhung der Entschädigung für einen bestimmten Zeitraum nicht stattfindet, wenn die Haushaltslage oder die gesamtwirtschaftliche Lage dies erfordert“. Seitens der Grünen heißt es, man habe auf eine offizielle Antragstellung verzichtet, weil diese ohnehin keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Die Fraktion will nun den Betrag aus dem Aufkommen der Diätenerhöhung spenden. Dazu werde voraussichtlich in der nächsten Fraktionssitzung ein Beschluss gefasst.

Wohin mit dem Geld?

Ob man als Zielobjekt der Spenden ein bestimmtes Projekt auswähle oder den Abgeordneten die Auswahl der Spendenempfänger frei stelle, werde noch besprochen, sagt ein Fraktionssprecher. Klar sei aber, dass das Spendenaufkommen auf der Homepage der Fraktion dokumentiert werde. Der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hält nichts davon: „Was da herauskommt, ist finanziell erbärmlich wenig. Ich spende ein Vielfaches für die Opfer des Hochwassers, ohne dies an die große Glocke zu hängen.“ Spenden sollte man aus innerem Antrieb und nicht, um in der politischen Arena zu punkten.

Ein Mal, im Jahr 2010, mussten die Abgeordneten übrigens eine Diätenabsenkung hinnehmen – als Folge der Finanzkrise. Der damalige Landtagspräsiden Peter Straub (CDU) unternahm damals den Versuch, aus dem Automatismus des Indexierungsverfahrens auszubrechen und die Gehaltseinbuße zu vermeiden. Wegen der zu erwartenden katastrophalen Wirkung auf die Öffentlichkeit wurde er aber im überfraktionellen Konsens gestoppt.