Regierungsmitglieder werben nicht für einzelne Unternehmen – das ist die Regel. Nun musss Agrarminister Peter Hauk (CDU) erklären, warum seine Staatssekretärin sich für einen Supermarkt einsetzte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wer den neuen Hit-Lebensmittelmarkt im Stuttgarter Dorotheen-Quartier betritt, wird von Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) begrüßt. Gleich am Eingang lächelt die Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz von einem Aufsteller. „Hit bereichert die regional orientierte Handelslandschaft und stärkt das Profil Baden-Württembergs als Genießerland“, verkündet die Politikerin da, beglaubigt durch ihre Unterschrift. Ähnlich lobend äußern sich neben ihr etwa der Chef von Bürger-Maultaschen, die es im Markt zu kaufen gibt, oder der Kabarettist Christoph Sonntag, dessen „Stiphtung“ von Hit unterstützt wird.

 

Das Plakat gab es zur Eröffnung Ende Mai auch als Prospekt – und dieser bescherte der Staatssekretärin und CDU-Abgeordneten nun ein Nachspiel im Landtag. Die FDP-Fraktion nämlich wunderte sich sehr, dass Gurr-Hirsch entgegen allen Usancen Werbung für ein einzelnes Unternehmen mache. „Das geht gar nicht“, befanden die zuständigen Abgeordneten Friedrich Bullinger und Klaus Hoher. Regierungsmitglieder hätten „am Markt ihre Neutralitätspflicht zu wahren“, umso mehr, wenn sie für den Verbraucherschutz zuständig seien. Der Wettbewerb soll schließlich nicht durch gleichsam amtliche Empfehlungen verzerrt werden.

Ausnahme für neuen Lebensmittelladen

Per Landtagsanfrage (Titel: „Schriftliche Grußworte der Verbraucherstaatssekretärin auf Supermarktprospekten“) hakten die beiden Liberalen nach. Gleich zu zehn Einzelpunkten musste Gurr-Hirschs Chef, Agrarminister Peter Hauk (CDU), dieser Tage Auskunft geben. Vorweg bestätigte er, dass es sich tatsächlich um einen Einzelfall handele: Es gebe nur dieses eine „Grußwort“, auch von anderen Ressorts sei nichts Vergleichbares bekannt. Üblich seien Grußworte etwa in Einkaufs- oder Restaurantführern, von denen freilich „eine Vielzahl von Unternehmen“ profitiere.

Warum also die Ausnahme für den Hit-Markt? Was unterscheidet die mittelständische Handelskette aus dem Rheinland von Wettbewerbern, die nicht von der Staatssekretärin belobigt werden? Der Hintergrund sei eine Marketingaktion der Fördergemeinschaft für Qualitätsprodukte aus Baden-Württemberg (FBW), die just im Juli in dem neuen Supermarkt stattfinde, erläutert Hauk der FDP. Die Kampagne für regionale Lebensmittel komme der gesamten klein- und mittelständischen Ernährungswirtschaft zugute. Regionalität gewinne im Lebensmittelhandel immer mehr an Bedeutung, frohlockt der Minister; dies stelle auch die Neueröffnung im Dorotheen-Quartier „unter Beweis“. Ein Schildchen mit der Aufschrift „Ich bin Baden-Württemberg“ prangt dort an den Regalen unter vielen Produkten aus dem Land.

FDP-Fraktion vermisst Fingerspitzengefühl

Hauks Fazit: Seine Staatssekretärin habe sich als Aufsichtsratsvorsitzende der Marketinggesellschaft für Agrarprodukte aus Baden-Württemberg, MBW, geäußert. Als solche ist sie in dem Prospekt indes nicht ausgewiesen. Gleich neben ihr prangt zudem der Vorstandssprecher der in gleicher Sache engagierten Fördergemeinschaft FBW. Wieder einmal fehle es dem Ministerium „am nötigen Fingerspitzengefühl“, folgern die liberalen Fragesteller. Indirekt unterstütze Gurr-Hirsch zudem die in dem Prospekt beworbene „Sonderangebotspolitik“ bei Frischfleisch. Ob das im Sinne der Landesregierung sei? Ihm seien „auskömmliche Erzeugerpreise ein besonderes Anliegen“, erwiderte der Agrarminister.

Einmal in Fahrt, piesackten die FDP-Abgeordneten den CDU-Mann noch mit einer weiteren Anfrage. Anlass war ein Satz, den dieser jüngst vor Journalisten gesagt habe: „Ich setze darauf, dass der Verbraucher mündig ist und dass er auch bereit ist, für Fleisch, das von Tieren stammt, die gut gehalten werden, mehr zu bezahlen.“ Ob sie eher kosten- oder eher qualitätsbewusst einkauften, müssten die Bürger schon selbst entscheiden, befanden die Liberalen; „moralischer Druck“ sei nicht angebracht. Wer sparen müsse, sei mithin unmündig? So wollte Peter Hauk das nicht stehen lassen: Man wolle den Verbrauchern nur bewusst machen, „dass sie durch ihr Kaufverhalten die Märkte aktiv mitgestalten“.