Landtagspräsidentin Muhteren Aras spricht im Interview über ihre Erfahrungen mit Provokateuren vom rechten Rand.

Stuttgart - Seit eineinhalb Jahren sitzt die AfD im Stuttgarter Landtag. Das hat die Debattenkultur verändert.

 
Frau Aras, als Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg sind Sie erfahren im Umgang mit der AfD. Worauf muss sich der Bundestag einstellen?
Nach meiner Erfahrung im Landtag von Baden-Württemberg dürfte der Ton im Bundestag deutlich rauer werden. Das würde dem entsprechen, was wir in Stuttgart in den vergangenen eineinhalb Jahren erlebt haben. Die AfD-Fraktion bewegt sich mit ihren Debattenbeiträgen häufig an der Grenze zum Tabu. Das führt zu Provokationen, und bedauerlicherweise steigen die anderen Fraktionen in der Regel darauf ein. Dadurch ist eine Streitkultur im Landtag entstanden, die der Würde des Parlaments nicht förderlich ist.
Gehört es nicht dazu, dass heftig gestritten wird und auch mal Fetzen fliegen?
Ich bin unbedingt dafür, dass Debatten im Parlament lebhaft sein sollen. Kontroverse Diskussionen gehören selbstverständlich dazu. Aber der Umgang mit dem politischen Gegner muss immer von Fairness und Respekt geprägt sein. Das ist eine große Herausforderung für uns alle.
Sie sind in einer Art Schiedsrichterrolle. Wie gehen Sie mit Provokationen um?
Klar ist, dass ich als Präsidentin den gesamten Landtag zu vertreten habe und somit zur Objektivität verpflichtet bin. Egal, woher die Unruhe im Plenarsaal kommt – ich will und muss mit dafür sorgen, dass Debatten zivilisiert und respektvoll verlaufen. Die Geschäftsordnung gibt Regeln dafür vor. Sie gibt mir auch Instrumente in die Hand, mit denen ich reagieren kann, wenn sich jemand parlamentsunwürdig verhält. Ich kann Ordnungsrufe erteilen und bei grob unwürdigem Verhalten einen Sitzungsausschluss aussprechen. Von beiden Instrumenten wurde in der aktuellen Wahlperiode Gebrauch gemacht.
Wie oft war die AfD-Fraktion betroffen?
Ich selbst habe insgesamt fünf Ordnungsrufe ausgesprochen. Alle betrafen AfD-Mandatsträger. In der vorherigen Wahlperiode gab es dagegen keinen einzigen Ordnungsruf. Auch das zeigt, dass sich der Ton tatsächlich verändert hat.
Die AfD will anders sein als andere Parteien. Es scheint auch eine gewisse Verachtung für die parlamentarische Demokratie durch. Macht sich das im Parlament bemerkbar?
Es ist wichtig, dass die Fraktionen ihre unterschiedlichen Positionen deutlich machen. Zuspitzungen gehören dazu. Die Bürgerinnen und Bürger sollen ja mitbekommen, was die Parteien unterscheidet. Nun haben wir es aber in der Politik häufig mit sehr komplexen Fragestellungen zu tun, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Mein Eindruck ist: Die AfD testet Grenzen aus, bietet dabei aber so gut wie keine alternativen Lösungsansätze an, wie es eine Opposition üblicherweise tut. Das fördert Spaltungstendenzen in der Gesellschaft.
Der Fall des AfD-Abgeordneten Gedeon, der antisemitische Thesen vertritt, hat für Schlagzeigen gesorgt. Auch im Bundestag werden AfD-Politiker sitzen, die offen den deutschen „Schuldkult“ um den Holocaust anprangern. Wie geht man damit um?
Ich hätte es mir nie vorstellen können, im Landtag eines weltoffenen Landes wie Baden-Württemberg über Antisemitismus diskutieren zu müssen. Meine Haltung ist glasklar: Antisemitismus und Rassismus haben in einem deutschen Parlament nichts zu suchen. Das ist Staatsräson.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.afd-nach-der-wahl-petry-hat-sich-den-abgang-genau-ueberlegt.decc1048-a794-4e78-bbf4-d90980e441a0.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.afd-im-bundestag-ausgrenzung-ist-keine-strategie.6e08c735-53f9-4ba8-afd8-ab766472ab72.html