Das Berliner Architekturbüro Staab wird mit der Generalsanierung des Landtags beauftragt und soll für mehr Licht im Plenarsaal sorgen. Der Entwurf für den Umbau überzeugt auch aus architektonischer Sicht.

Stuttgart - Werfen wir kurz einen Blick nach München. Dort haben Staab Architekten, die nun auch Sieger des Wettbewerbs für die Sanierung und den Umbau des Stuttgarter Landtags sind, vor einigen Jahren den Plenarsaal des bayerischen Landtags runderneuert. Das Maximilianeum, in dem sich der Saal befindet, ist noch von königlichem Geblüt. Mitte des 19. Jahrhunderts unter Max II.  als monumentaler Abschluss der Maximilianstraße erbaut, thront es wie eine bajuwarische Akropolis hoch über der Isar. Um ein durch und durch republikanisches Gebäude handelt es sich dagegen beim baden-württembergischen Landtag: 1958 bis 1961 als erster Parlamentsneubau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet, repräsentiert es den demokratischen Aufbruch seiner Entstehungszeit. Von Staatspomp aller Art hatte Deutschland damals die Nase voll. Modern sollte es darum sein, geradlinig, nüchtern, bescheiden – symbolstark allenfalls in seiner Transparenz.

 

Die Plenarsäle an Isar und Neckar aber waren einander gar nicht so unähnlich. Hier wie dort klagten (und klagen) die Abgeordneten über Missbehagen und Kopfschmerzen, über schlechtes Licht, veraltete Technik und mangelnden Sitzkomfort. Die Bayern ließen darum ihren Saal im Maximilianeum – ein Implantat aus dem Jahr 1949 – nach zwei Wettbewerben von Volker Staab schon 2004/5 umbauen. In Stuttgart nahm man sich mehr Zeit, liebäugelte zwischendurch auch mit einem Neubau – wenn es hereinregnet, ruft man hierzulande allemal lieber nach Radikallösungen als nach dem Dachdecker – und rang sich schließlich doch durch, am Alten festzuhalten.

Das Wort vom doppelten Durchbruch

Das war, um einen (allerdings aus dem Zusammenhang gerissenen) Ausdruck des Landtagspräsidenten Guido Wolf zu gebrauchen, ein „doppelter Durchbruch“: Umbau und Weiternutzung ist heute zweifellos das nachhaltigere und damit auch das modernere architektonische Konzept. Und wie geschichtsvergessen würde ein Parlament zweitens wirken, das den Stammsitz des demokratisch verfassten Landes ohne Not aufgibt?

An dem in München gewonnenen Know how mag es jedenfalls liegen, dass Staab Architekten nun auch in Stuttgart reüssieren konnten. Eine Lichtdecke, die wie im Museum ohne Blend- oder Treibhauseffekte Tageslicht hereinlässt, satiniertes Glas an der Decke und den Wänden der Besuchergalerie, helles Holz für Vertäfelungen und Mobiliar des Plenarsaals – die Rezeptur für den Frischekick setzt sich aus vergleichbaren Ingredienzen zusammen. Das Ergebnis in Stuttgart ist aber keineswegs eine Kopie des bayerischen Parlaments, sondern ein präzise und mit großem Respekt auf die Stuttgarter Architektur zugeschnittener Entwurf, der das Baudenkmal Landtag äußerlich kaum antastet.

Die Befürchtungen wurden zerstreut

Im Nachhinein zerstreuen die Berliner Architekten damit auch die Bedenken der drei Büros, die befürchtet hatten, dass die geforderten Eingriffe und speziell der Wunsch nach Tageslicht im Plenarsaal den Bau in seiner Substanz und seiner architektonischen Grundaussage zu stark „verwässern“ könnten. Aus diesem Grund waren Chipperfield Architects, HG Merz und Lederer, Ragnarsdottir, Oei – alles namhafte und im Umgang mit hochwertigen Bestandsbauten erfahrene Büros – aus dem Wettbewerb ausgestiegen. Ganz unberechtigt waren diese Bedenken wohl auch nicht, denn einige der nachgerückten Architekten sollen nicht gerade zimperlich zu Werke gegangen sein. Gezeigt wurden die Arbeiten der vier weiteren Wettbewerbsteilnehmer bei der Vorstellung des Siegerentwurfs nicht, weil das sogenannte VOF-Verfahren, nach dem der Wettbewerb ausgeschrieben war, eine Präsentation vor Ablauf einer Einspruchsfrist nicht zulasse. Wenn man aber hört, dass der Berliner Max Dudler in seiner Brachialvariante den vorhandenen Plenarsaal komplett herausreißen und durch einen Neubau auf quadratischem Grundriss ersetzen wollte, oder dass Anderhalten Architekten (Berlin) das Flachdach des Gebäudes mit einem Lichtküppelchen zu bekrönen gedachten, dann kann man Staabs sensiblen Vorschlag nur als Glücksfall bezeichnen.

Ein wesentliches Merkmal des Hauses nach einem Wettbewerbsentwurf des Mainzer Architekten Kurt Viertel, der dann von Horst Linde und Erwin Heinle überarbeitet wurde, ist der Gegensatz von Extrovertiertheit und Introvertiertheit, von kubischer Hülle und polygonalem Kern. Die Stahlbetonskelettkonstruktion mit ihrer Fassade aus Bronzeprofilen und der graubraunen Verglasung erinnert in ihrer klaren Gestalt an die Bauten von Ludwig Mies van der Rohe, der nach dem Krieg das große Vorbild in der Bundesrepublik war. Innen huldigt der Landtag dann mit dem „unmiesisch“ vieleckigen Plenarsaal auch dem Landeskind und Matador des organischen Bauens Hugo Häring.

Ein nobler Vertreter des demokratischen Bauens

Die Logik des Raumplans ist daher nicht beliebig veränderbar, wenn die architektonische Idee erhalten bleiben soll: Offene, vollverglaste Wandelhallen und von außen einsehbare Büros als Sinnbilder transparenter Entscheidungsprozesse und im Kontrast dazu die holzverkleidete, geschlossene, gegen äußere Einflüsse und Einflüsterungen abgeschottete Schatulle des Plenarsaals, das sind zentrale Bestandteile des Landtagsbaus, die ihn zum noblen Vertreter des demokratischen Bauens der Nachkriegszeit machen.

Wenn am Konzept der Wettbewerbsgewinner darum etwas zu kritisieren ist, dann sind es die seitlichen Öffnungen des Plenarsaals, die genau dieser Idee des geschlossenen, auf sich konzentrierten Kerns zuwiderlaufen. Mit Tageslicht wird der Raum künftig durch das Dach ausreichend versorgt. Ob die Parlamentarier während der Debatten auch noch rausgucken müssen, ist sehr die Frage. Die Architekten sind sich dieser Schwachstelle natürlich bewusst und versuchen einen eleganten Mittelweg zu gehen, indem sie den holzverkleideten Saal bei Bedarf mit herausfahrbaren Lamellenwänden verschließen. Der Bauherr sollte zusammen mit den Architekten trotzdem nochmals überdenken, ob das Baudenkmal Landtag diese Löcher im Saalkörper wirklich verträgt.

Ein zweiter Sternenhimmel

Eine poetische Note fügen die Architekten dem Gebäude dafür auf der „fünften Fassade“ hinzu: Auf dem Dach werden sich die Lichtöffnungen des Plenarsaals in der Dunkelheit als Leuchtpunkte abzeichnen. Wer von den Stuttgarter Hängen künftig auf das Haus seiner Volksvertreter schaut, wird also einen kleinen Sternenhimmel zu seinen Füßen haben.