Giftiger gibt es nicht auf deutschen Wiesen und Feldern: Die Herbstzeitlose macht auch das Heu für Tiere ungenießbar. Forscher suchen deshalb nach Wegen, die hübsche, aber schädliche Blume zu verhindern. Bisher wird Bauern empfohlen, sie einzeln auszustechen.

Stuttgart - Den Herbst über sorgen die lilafarbenen Blüten der Herbstzeitlose immer für ein paar hübsche Tupfer im grauen Regenwetter. Ein paar Tupfer? „Auf der ganzen Wiese wuchert das Zeug“, würde ein Landwirt nun vielleicht ausrufen. Bis zu 1000 Exemplare finden sich hierzulande auf 25 Quadratmetern. Die Blätter, Blüten und Samen können Rinder töten und den Heuertrag einer Wiese zunichtemachen. Auch im getrockneten Zustand bleiben die giftigen Alkaloide der Herbstzeitlose erhalten, allen voran das Zellgift Colchizin.

 

Erfahrene Weidetiere lassen die Pflanze auf der Wiese meist links liegen. Doch im trockenen Heu können sie die Giftpflanze meist weder herausschmecken noch aussortieren. Immer wieder kommt es daher zu Vergiftungen: Schleimhautentzündungen, Koliken, Durchfall; später auch Muskellähmungen, die zum Atemstillstand und damit zum Tod führen können.

Problemzonen sind die extensiv bewirtschafteten, artenreichen Wiesen, wo sich die Herbstzeitlose gut entwickelt. Anders im intensiv genutzten Grünland, wo ihnen die Mahd bis zu sechs Mal im Jahr die Kraft raubt, zudem Düngung konkurrenzstarke Pflanzen wie etwa das Knäuelgras hochwachsen lässt und der Bauer durch gezielte Einsaat etwaige Lücken in der Wiese mit erwünschten Nutzpflanzen schließt. In den extensiv genutzten Wiesen, wie sie etwa in Naturschutzgebieten vorkommen, darf, wenn überhaupt, nur spärlich gedüngt werden. Unkrautvernichtungsmittel sind der Artenvielfalt zuliebe auch keine Option. Und selbst mit der Mahd muss der Landwirt aufpassen: Naturschutzauflagen lassen nicht jeden Termin für den Heuschnitt zu. Eine frühe Mahd lässt beispielsweise die Artenvielfalt schrumpfen, da viele der empfindlichen Arten dann keine Zeit haben, ihre Samen auszubilden und durch schneller wachsende Mitbewohner verdrängt werden. Extensiv genutzte Flächen werden folglich höchstens drei Mal im Jahr gemäht oder beweidet.

Von Herbstzeitlosen betroffenen Landwirten wurde bisher geraten, die Pflanzen einzeln auszustechen. Eine ziemliche Plagerei. Doch ein brach liegendes Wiesenstück ist der Artenvielfalt wiederum abträglich. Denn es wird nicht lange Wiese bleiben: Erst machen sich niedere Büsche breit, und im Lauf der Jahre entwickelt sich ein relativ artenarmer Laubmischwald.

Einzeln ausstechen kann nicht die beste Lösung sein

Um die Vielfalt zu erhalten, ist also eine Menge Arbeit vonnöten. Die naturfreundlichen Bauern müssen ihre Wiesen sorgsam behandeln und haben, als direkte Folge, die giftigen Herbstzeitlosen im Heu. „Das klingt erstmal nach einem läppischen Problem“, sagt Martin Elsäßer vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg in Aulendorf. „Aber oben auf der Schwäbischen Alb etwa ist die Heunutzung oft die einzige sinnvolle Verwendung für eine artenreiche Magerwiese.“ Zusammen mit seiner Kollegin Melanie Seither hat er sich dem Herbstzeitlosenproblem mit wissenschaftlichen Methoden angenommen.

In Kooperation mit dem Landwirtschaftsamt Zollernalbkreis erprobt Melanie Seither seit sechs Jahren Maßnahmen auf einer Versuchswiese bei Balingen. Auf jedem Wiesenstück kommt eine andere Nutzungsvariante zum Einsatz. Das Ziel: möglichst wenige Herbstzeitlosen bei möglichst geringer Veränderung der Artenvielfalt. So variiert Melanie Seither etwa die Zeitpunkte der Mahd: Mal transportiert die Grünlandbotanikerin das Schnittgut ab, mal lässt sie es liegen. Auf einigen Stücken kommen versuchsweise sogar Herbizide zum Einsatz oder schwere Walzen, welche die im Frühjahr wachsenden Blätter der Herbstzeitlose abknicken sollen. „Wir wollen verhindern, dass die Herbstzeitlose die Energie aus den Blättern wieder in die unterirdische Zwiebel zurückverlagert“, erklärt Melanie Seither.

Um die Pflanze zu bekämpfen, lohnt es sich, ihren Jahreszyklus zu beachten: Von März bis Mai ungefähr sind die großen, bärlauchähnlichen Blätter der Herbstzeitlose auf den Wiesen zu sehen. Diese verwelken bald, stattdessen treiben dann von Mai bis Juni die Samenkapseln aus. Die Blüten wiederum, die „eigentlichen“ Herbstzeitlosen, stehen dann von Ende August bis November ganz nackt auf der Wiese.

„Als am effektivsten hat sich bei unseren Versuchen ein sogenannter Schröpfschnitt Anfang April gezeigt“, sagt Melanie Seither. Die Blätter stehen dann in voller Größe, die Mahd raubt ihnen so die meiste Energie. „Alternativ empfiehlt sich ein früher Heuschnitt Anfang Juni“ – statt Ende Juli, wie sonst bei artenreichen Wiesen üblich. Die anderen Methoden waren entweder nicht so wirksam, oder aber sie hatten einen zu großen Effekt auf die Artzusammensetzung der Wiese. Allerdings handele es sich immer noch um ein vorläufiges Ergebnis, betont Seither. „Der Pflanzenbestand einer Wiese reagiert recht langsam. Wir werden den Versuch bei Balingen noch mindestens weitere sechs Jahre lang fortführen, um belastbarere Daten zu erhalten.“