Im Reich der Mitte wird die Kartoffel als Sättigungsbeilage noch verschmäht. Das soll sich ändern. Die politische Spitze verdoppelt Anbauflächen, subventioniert den Kauf von Pflanzgut und präsentiert sie in Kochsendungen des Staatsfernsehens.

Peking - Jede vierte Kartoffel kommt aus China. Damit ist das Reich der Mitte bereits der weltgrößte Kartoffelproduzent. Doch bislang werden die „Erdbohnen“ (tudou), wie sie wörtlich übersetzt in der Volksrepublik heißen, in der chinesischen Alltagsküche meist nur in kleine Streifen geschnitten, im Wok kurz gebraten und dann als Gemüsegericht serviert. Anders als Reis oder Weizennudeln sind Kartoffeln in China keine Sättigungsbeilage. Das soll sich nun ändern.

 

Jedes 20. Kind ist unterernährt

Wie einst der Alte Fritz in Preußen mit seinem „Kartoffelbefehl“, will auch die chinesische Führung, dass Kartoffeln künftig wie ein Grundnahrungsmittel verzehrt werden. Chinas Vizelandwirtschaftsminister Yu Xinrong kündigte vor kurzem an, die heimische Kartoffelanbaufläche von derzeit 5,3 Millionen Hektar bis 2020 auf mehr als zehn Millionen Hektar zu verdoppeln. „Kartoffeln vertragen Kälte, Trockenheit und können in Südchina auch im Winter angepflanzt werden“, preist Yu die Vorteile der Knolle. Damit sei sie bestens geeignet, die Ernährungsprobleme im Land zu lösen.  Trotz Chinas rasanter Wirtschaftsentwicklung in den vergangenen zwei Jahrzehnten gelten fünf Prozent der Kinder nach wie vor als unterernährt. Zugleich steigen beim Rest der Bevölkerung die Ansprüche an die Ernährung. Sie isst mehr und kalorienreicher. Nach Berechnungen des Landwirtschaftsministeriums braucht China bis 2020 weitere 50 Millionen Tonnen mehr Lebensmittel im Jahr.

Sie wächst schnell und braucht weniger Wasser als Reis

In der Ausweitung des Kartoffelanbaus sieht Chinas Führung die Möglichkeit, zu einem gesünderen und ausgewogeneren Ernährungsverhalten beizutragen. Denn die knorrige Knolle gilt als vitaminreich, fettarm und zugleich sättigend.  Von allen Gemüsesorten hat sie den höchsten Anteil an Eiweiß, das der menschliche Körper verwerten kann. Weil Kartoffeln zugleich schnell wachsen und viel weniger Wasser benötigen als Reis oder Weizen, wird sie auch von internationalen Agrarökonomen als ideale Kulturpflanze gerade für Kleinbauern in Entwicklungsländern gepriesen. Mehr als 85 Prozent der Pflanze sind für den Verzehr geeignet. Bei den meisten Getreidearten ist es oft nur die Hälfte. 

Resistente Sorten sind gefragt

Die Welternährungsorganisation FAO hat bereits vor einiger Zeit die Kartoffel als das Nahrungsmittel angepriesen, mit dem es am ehesten gelingen könnte, die Ernährungsprobleme auf dem Planeten in Griff zu bekommen.  Diesen Rat will Chinas Führung nun aufgreifen. Sie  verspricht den Bauern staatliche Subventionen beim Kauf von Pflanzgut. Zudem will sie massiv in die Erforschung neuer Kartoffelsorten investieren, die resistenter sind gegen Seuchen und sich speziell für den trockenen Boden im Norden und Westen Chinas eignen. Auch der Flächenertrag soll durch eine verbesserte Zucht gesteigert werden.

Das Problem: als Sättigungsbeilage entspricht die Kartoffel überhaupt nicht den Essgewohnheiten. Viele Chinesen klagen nach einer Europareise über Verdauungsprobleme, weil ihnen Kartoffeln als ganze Knollen serviert zu schwer im Magen liegen.  Um der Bevölkerung den Verzehr dennoch schmackhaft zu machen, strahlt der  Staatssender CCTV derzeit eine Kochserie aus, die sich speziell der tollen Knolle widmet. Die Köche zeigen, was sich alles damit zubereiten lässt – auch nach klassischer chinesischer Rezeptur: Kartoffel süßsauer, Kung-Pao-Kartoffeln, Kartoffelnudeln. Selbst die Peking-Ente lässt sich in Kartoffelfladen wickeln anstatt wie bisher üblich in Fladen aus Weizenmehl.