Weil sie Schädlinge fressen, helfen Fledermäuse indirekt auch bei der Ernte. Forscher haben Felder nachts mit Netzen abgedeckt, um den Tieren die Jagd zu vermiesen. Dadurch sanken die Ernteerträge. Weltweit macht allein das rund eine Milliarde US-Dollar aus.

Stuttgart - Die Erntehelfer kommen mitten in der Nacht. Doch sie sammeln keine Maiskolben ein, sondern sind vielmehr auf einen Nachtfalter scharf, den die Zoologen Helicoverpa zea und die Bauern Baumwollkapselbohrer nennen. Bei dessen Raupen steht Mais neben Baumwolle und Gemüse ganz oben auf der Speisekarte. Mit ihrem Appetit haben es diese Raupen nach dem Apfelwickler auf Platz zwei der Ernteschädlinge in Nordamerika gebracht.

 

Fledermäuse wiederum stehen schon geraume Zeit im Verdacht, sich bei den erwachsenen Faltern zu bedienen. Damit helfen sie indirekt bei der Maisernte, indem sie einen Schädling dezimieren. Den weltweiten Wert dieser nächtlichen Hilfe beziffern Josiah Maine und Justin Boyles von der Southern Illinois University im Fachmagazin „Proceedings“ der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften auf eine runde Milliarde US-Dollar im Jahr.

Bisher gab es für diese Ernte-Unterstützung nur grobe Schätzungen. Um genauere Zahlen zu erhalten, spannte Josiah Maine an einem Stahlkabel sechs Netze zu jeweils einem 20 Meter langen und breiten sowie sieben Meter hohen Käfig über verschiedene Maisfelder im Süden des US-Bundesstaates Illinois auf. Fledermäuse konnten die fünf Zentimeter weiten Maschen nicht passieren und waren damit von Ende Juni bis Mitte September effektiv vom Maisfeld ausgesperrt, während Insekten und anderes Kleinvieh das Netz problemlos passieren konnten. Tagsüber entfernte der Forscher das Netz, damit die Vögel ungehindert zu den Pflanzen fliegen konnten.

Auch in Deutschland gibt es ähnliche Befunde

Jeden Tag zählten die Forscher die Larven der Schädlinge und von den Raupen angeknabberte Blätter. Im Vergleich mit gleich großen Flächen, an deren Rändern zwar Stahlkabel gespannt, aber keine Netze aufgezogen waren, fanden Maine und Boyles auf den Fledermaus-freien Flächen 59 Prozent mehr Raupen. Offensichtlich dezimieren die fliegenden Säugetiere also auf normalen Maisfeldern die Falter des Baumwollkapselbohrers so kräftig, dass auch deutlich weniger der gefräßigen Raupen dieser Art Schäden anrichten konnten. „Zusätzlich entsteht eine Landschaft der Angst“, vermuten die US-Forscher in ihrem Artikel: Fledermäuse stoßen Ultraschallschreie aus, deren Echos sie analysieren. Das hören auch die in Nordamerika lebenden Baumwollkapselbohrer sowie die europäischen Maiszünsler und versuchen dann, ihren Jägern auszuweichen. Sind Fledermäuse unterwegs, verstecken sich die Falter nicht nur , sondern produzieren auch weniger Nachwuchs.

Gibt es weniger Raupen, verringern sich die Ernteschäden weltweit um mindestens eine Milliarde US-Dollar, rechnen die US-Forscher aus ihren Zahlen hoch. Nicht berücksichtigt haben sie dabei die häufigen Pilzinfektionen, die von den Raupen verbreitet werden und die in den Feldern ohne Fledermäuse 20 Prozent häufiger auftraten als mit Fledermäusen.

Ähnliche Untersuchungen machen Christian Voigt und seine Mitarbeiter vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) zurzeit in den Reisfeldern Thailands. „Auch dort dezimieren die Flattertiere Reisschädlinge deutlich“, fasst der Forscher vorläufige Ergebnisse zusammen.

Und auch Stefan Böhm von der Universität Ulm und seine Kollegen sind bereits 2011 in den Wäldern auf der Schwäbischen Alb und im Hainich in Thüringen auf ähnliche Befunde gestoßen. Dort hatten sie allerdings Tag und Nacht ihre Netze aufgespannt und so die Fledermäuse und die Vögel gleichermaßen ausgesperrt.

Innerhalb der Netze zählten die Forscher deutlich mehr Fraßschäden an den Blättern der Eichen als in anderen Gebieten. Besonders auffällig war dieser Effekt im Nationalpark Hainich, wo auch mehr Vogel- und Fledermausarten leben. Der Verdacht liegt daher nahe, dass auch in Mitteleuropa Fledermäuse Maisfelder von Schädlingen schützen. „Möglicherweise gibt es einen solchen Schutz auch für Rapsfelder und wohl auch für weitere Kulturen“, vermutet IZW-Forscher Christian Voigt. Exakt gemessen hat das hierzulande aber noch niemand.