Handarbeit wird überflüssig. Im Innovationsstall auf dem Landwirtschaftlichen Hauptfest wird unter anderem ein vollautomatischer Melkroboter präsentiert. Doch wie schwierig ist eigentlich das Melken von Hand? Ein Erfahrungsbericht.

Bad Cannstatt - Eine Milchkuh zu halten bedeutet viel Verantwortung“, sagt Hildegard Schelshorn. Sie weiß, wovon sie spricht: In Bernau im Schwarzwald kümmern sie und ihre Familie sich im Nebenerwerb um 50 Kühe. Die Milchmaschine, sagt sie, sei wichtiger als jede Großmaschine: „Man braucht sie jeden Tag zwei Mal.“ Dass Melken heutzutage auch noch einfacher geht, zeigt der Melkroboter im Innovationsstall auf dem Landwirtschaftlichen Hauptfest (LWH). Doch was ist nun besser, schneller und einfacher? Melkmaschine oder Melkroboter? Ein Erfahrungsbericht.

 

Melken von Hand will gelernt sein

Ich bin ein Stadtkind. Gut, ein Stadtkind mit Tiererfahrung. Immerhin hatte ich einen Hamster, einen Goldfisch, ein Kaninchen, einen Teilzeit-Hund und Reitgelegenheit. Doch Kühe habe ich bislang nur mit ausreichend Sicherheitsabstand auf der Weide betrachtet. Fand ich gut so. Sind ja doch ziemlich groß, riechen ein wenig streng und schauen mit ihren kleinen Hörnern auch manchmal bedrohlich drein. Mit einem entsprechend mulmigen Gefühl im Bauch betrete ich das Großtierzelt auf dem LWH, in dem ich zum ersten Mal eine Kuh melken will. Hildegard Schelshorn beruhigt mich: „Die Sonja ist ganz lieb und leicht zu melken.“ Sonja entpuppt sich als braun-weiß gefleckte Hinterwälderin. Sie ist zwölf Jahre alt und eine ausgezeichnete Milchkuh: Bis zu 20 Liter Milch gebe sie pro Tag, das sei doppelt so viel wie die meisten anderen, erklärt mir die Expertin. Da sich Sonja so leicht melken lasse, könne sie die Kuh in acht bis neun Minuten komplett von Hand melken. Ich möchte nicht wissen, wie lange ich brauchen würde – schon das Anmelken dauert bei mir auf jeden Fall gefühlt so lange. „Mit Daumen und Zeigefinger die Zitze eng umfassen und dann mit den anderen Fingern nach unten streifen“, erklärt mir Schelshorn. Als die ersten Versuche misslingen, rät sie mir, ruhig fester zuzupacken. Und tatsächlich: Plötzlich fließt ein kleines weißes Rinnsal in meinen Becher. Auch wenn ich noch so stolz bin: Die ersten Schlucke werden weggeschüttet, da sie besonders viele Zellen enthalten. Erst dann wird die Melkmaschine angeschlossen: Vier Melkbecher werden über die Zitzen gestülpt. Dann wird per Unterdruck in den Melkbechern die pulsierende Bewegung der Hände simuliert und die Milch fließt mit einem Schlauch direkt in den Tank. Innerhalb weniger Minuten ist die Kuh gemolken. Dann darf ich der gutmütigen Sonja noch die Zitzen mit einem sauberen Tuch putzen und ihr zum Dank aufs Hinterteil klatschen.

Der Roboter kann Handarbeit ersetzen

Der Melkroboter klatscht, tätschelt und redet nicht. Dass die Kühe trotzdem bei ihm Schlange stehen, liegt an dem Kraftfutter, mit dem er die Tiere magisch anzieht. Gemolken wird jede Kuh aber nur drei bis vier Mal am Tag, erklärt mir die angehende Landwirtschaftsmeisterin Anna Vogelbacher. „Alle Kühe tragen einen Chip, auf dem alle Daten gespeichert ist.“ Kommt die Kuh zu früh zum Roboter, wird sie ohne Futter wieder durch eine Klappe entlassen. Hat eine Kuh Melk- und Fressberechtigung, geht alles vollautomatisch: Die Zitzen werden mit einer Bürste geputzt, mithilfe eines Lasers erkennt der Roboter , wo er die Melkbecher platzieren muss. Am Schluss wird das Euter desinfiziert und die Bürste gereinigt. Der Roboter ist bereit für die nächste Kuh. Sollte es Probleme geben oder der Computer bei einer Kuh Unregelmäßigkeiten feststellen, wird der Bauer über seinen PC oder das Smartphone benachrichtigt. Das alles hat allerdings seinen Preis: Rund 160 000 Euro kostet so ein Melkroboter laut Vogelbacher. Ein Roboter kann circa 70 Kühe versorgen und ist vor allem für große Betriebe eine gute Investition. Der persönliche Kontakt zu den Tieren ist laut der Expertin zwar weniger vorhanden, sei aber durch das Füttern immer noch ausreichend.