Mehr als 200 000 Menschen sind bei der langen Einkaufsnacht am Samstag in die Stuttgarter Innenstadt geströmt. Die Händler ziehen ein positives Fazit der Veranstaltung – und verzeichnen ein deutliches Umsatzplus.

Stuttgart - Musiker und Schausteller auf der Straße und DJs im Schaufenster – die Innenstadt wurde am Samstag als Erlebnispark inszeniert. An der oberen Königstraße hat sich am späten Abend eine Menschentraube um einen jungen Mann versammelt. Sein Konzertflügel steht auf Gummireifen und hängt an seinem Fahrrad, während er dahinter auf einem Hocker sitzt und klassische Musik spielt. Er ist nur einer von vielen, die zum bunten Bild der Stadt beitragen. Die lange Einkaufsnacht hat am Samstag mehr als 200 000 Menschen nach Stuttgart gelockt. Ein Werbegag oder eine erfolgreiche Strategie, um in Zeiten des Internets mehr Umsatz im stationären Handel zu generieren? Der Einzelhandel zieht ein positives Fazit.

 

Veranstaltungen wie der langen Einkaufsnacht kommt eine immer größere Bedeutung zu. Das ist zumindest die Meinung von Stuttgarts City-Managerin Bettina Fuchs. Und die Händler bestätigen Fuchs – vom kleinen inhabergeführten Betrieb über traditionelle Warenhäuser bis zum großen Einkaufszentrum. Die Händler verzeichnen ein messbares Umsatzplus.

25 Prozent mehr Umsatz

„Für uns lohnen sich solche Events“, sagt der Pressesprecher von Breuninger, Christian Witt. Nach eigenen Schätzungen liegt der Umsatz bei einer langen Einkaufsnacht je nach Wetter gut 25 Prozent höher als an einem normalen Samstag. „Aus diesem Grund machen wir mit und überlegen uns ein eigenes Programm“, sagt Witt. Zudem sei es nicht so, dass die Kunden nach einer langen Einkaufsnacht der Innenstadt an den Folgetagen fernblieben, so der Pressesprecher.

Witts Ansicht wird von anderen Händlern der Stadt bestätigt. „Wegen dieses Events kommen Menschen aus der Region zu uns“, sagt die Centermanagerin des Milaneo, Andrea Poul. Nach eigener Aussage genau die Zielgruppe des Einkaufszentrums im Europaviertel. „Die Anfragen zur Einkaufsnacht und zu Öffnungszeiten in der Karwoche kommen aktuell sogar verstärkt aus der Schweiz“, so Poul. Man habe die Chance, ein breiteres Publikum anzusprechen als ohne derartige Veranstaltungen. „Ich bin ausdrücklich für Mitternachtsshoppen und verkaufsoffene Sonntage“, sagt Poul. „Das tut dem Handel gut.“ 75 000 Menschen haben am Samstag das Milaneo besucht. „Damit bin ich sehr zufrieden“, sagt die Managerin. Allein in der Zeit von 20 bis 24 Uhr wurden mehr als 30 000 Besucher in dem Center gezählt.

Groß und Klein profitieren von der langen Nacht

Auch das zweite große Einkaufszentrum der Stadt, das Gerber am südlichen Rand der City, zieht eine positive Bilanz. Centermanager Oliver Grünwald lief noch in der Nacht mit einem Strahlen durch die Gänge. „Das ist toll gelaufen“, so der Manager. Genaue Angaben über die Zahl der Besucher will das Gerber jedoch nicht preisgeben.

Doch nicht nur die großen der Branche profitieren von Events wie der langen Einkaufsnacht. „Der Standort wird gezielt mit dem Fokus auf den Handel präsentiert“, sagt etwa Christoph Achenbach, der Geschäftsführer von Lederwaren Acker am Schlossplatz. Während die Einkaufszentren an regulären Tagen Kunden aus dem Umland anziehen, sprechen Traditionsbetriebe eher das lokale Publikum an. „In einer solchen Nacht kommen die Kunden von außerhalb aber auch mal bei uns vorbei und kommen dann hoffentlich wieder“, so Achenbach. Sich als kleinerer Händler dem Publikum zu präsentieren, lohne sich also.

Während der Handel voll auf Umsatz getrimmt war, gingen am Abend für einen Moment die Lichter aus. Der Grund war kein Stromausfall, sondern eine Veranstaltung mit komplett gegensätzlichem Inhalt. Die Earth Hour (zu Deutsch: Stunde der Erde) will weltweit auf den Klimawandel aufmerksam machen. Dafür werden weltweit Lichter gelöscht. In Stuttgart wurde es am Samstagabend unter anderem im Kunstmuseum, im alten Schloss, am Schillerdenkmal und im Rathaus dunkel.

Das Verkehrschaos bleibt aus

Für die Königsbaupassagen, wie das Milaneo unter der Ägide der ECE, lohnt sich die lange Nacht ebenfalls. „Die Menschen nehmen wegen des Gesamtpakets, das mit einer solchen Veranstaltung geboten wird, längere Anfahrtswege in Kauf“, sagt die neue Managerin des Centers, Michaela Zopf. Und: „Die Menschen wollen an einem solchen Tag einkaufen.“ Das könne man anhand der Umsätze im Center erkennen. „Es ist wichtig, den stationären Handel auf diese Weise gegen die Konkurrenz der Onlineanbieter zu stärken“, sagt Zopf.

Auch für alternative Einkaufskonzepte wie das Fluxus in der Calwer Passage lohnt sich die lange Einkaufsnacht. Das sagt zumindest der Initiator Hannes Steim. „Die Erfahrung zeigt, dass sich der Betrieb und die Kundenfrequenz des Tages bis etwa 22 Uhr verlängern lassen“, sagt Steim. „Danach ist bei uns aber Schluss.“ Angebote, die Zielgruppen abseits des Mainstream ansprechen, hätten bei einer solchen Massenveranstaltung jedoch nur eine Chance, wenn sie in einem Bündel wie eben im Fluxus präsentiert werden. „Die B- und C-Lagen der Innenstadt profitieren von einem solchen Event leider kaum“, sagt Steim.

Trotz des Andrangs blieb ein Verkehrschaos aus. „Uns wurden keine längeren Staus oder größere Behinderungen gemeldet“, erklärte ein Sprecher er Polizei.