Vom Wetter ließen sich die Besucher nicht abschrecken. Mehr als 25 000 Menschen strömten am Samstag durch die Straßen der Stadt, um während der Langen Nacht der Museen möglichst viele Kulturhäppchen aufzuschnappen.

 

Stuttgart - Vom Wetter ließen sich die Besucher nicht abschrecken. Mehr als 25 000 Menschen strömten am Samstagabend durch die Straßen der Stadt, um in den wenigen Stunden der Langen Nacht der Museen möglichst viele Kulturhäppchen aufzuschnappen. Gut 90 Ausstellungsorte waren bei der 17. Auflage der Museumsnacht mit von der Partie, alljährliche Besuchermagnete wie der Bunker unter dem Marktplatz, aber auch neue Orte wie das Schloss Solitude und der Kunstverein Outer Rim im Stuttgarter Westen öffneten für die Kulturnachtschwärmer bis weit nach Mitternacht ihre Pforten. Vom herrschaftlichen Neuen Schloss bis zu alten Industriebrachen im Norden: unterschiedlicher konnten die Kulturorte kaum sein.

Zu Besuch bei Majestät

„Bitte latschen sie nicht, schreiten sie!“, ruft ein Herr den Besuchern auf der Treppe hinterher und macht es vor: Hand an den Degen, Mund geschlossen, Fußspitzen nach außen. Die Besucher tun es ihm nach, der Herr schüttelt den Kopf: es scheint vergebliche Liebesmüh. Er gibt ein paar weitere Benimmregeln für die Residenz der Majestät mit auf den Weg: „Spucken sie nicht auf den Boden und wenn sie dem König begegnen, immer schön freundlich sein.“

Erstmals durften die Besucher der Langen Nacht der Museen hinter die Kulissen des imposanten Baus am Schlossplatz blicken. Der Herr mit dem grünen Rock und den beigefarbenen Hosen empfängt die Besucher, die einige Wartezeit in Kauf nehmen mussten, in der Eingangshalle des Neuen Schlosses und stellt sich als Johann Georg Bechtner vor, den Oberförster und königlichen Leibbüchsenspanner seiner Majestät König Friedrich I. Nach einer lebhaften Einführung in das Jahr 1813, in königliche Jagden und Hungersnöte des württembergischen Volkes, geht es für die Neugierigen über die Treppen in den ersten Stock des Schlosses. Dort bietet sich ein Blick in das Amtszimmer des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann sowie in den Marmorsaal, in dem seit Februar dieses Jahres geheiratet werden darf – mit Blick auf den Schlossplatz.

Im ehemaligen Thronsaal steht ein weiterer Zeitgenosse der württembergischen Monarchie: Baron von Bühler. „Sie befinden sich hier im allerheiligsten“, sagt der Mann im edlen blauen Beinkleid und deutet auf den ovalen Tisch, auf dessen Mitte eine Uhr tickt. Am Ende des Tisches steht ein Flachbildfernseher. In diesem Saal werden heute Kabinettssitzungen mit dem Ministerpräsidenten, mit Ministern und Staatssekretären abgehalten, erklärt er weiter, einen Raum weiter tagen die SPD-Mitglieder – unter einem beeindruckenden Deckenfresko, das die Legende des Aeneas zeigt.

Im Neuen Schloss trifft Geschichte auf Gegenwart. Die langen Wartezeiten draußen in der kalten Abendluft nehmen die Besucher der Langen Nacht der Museen gerne auf sich. Denn lange waren solche Einblicke gar nicht mehr möglich. Mit dem Einzug des Politikbetriebs, durch die Renovierungsarbeiten im Landtag, sind die Führungen eingestellt worden. Erst im Dezember vergangenen Jahres entschloss sich das Staatsministerium die Pforten für die Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen und so nicht nur historische Einblicke sondern auch solche in den aktuellen Politikbetrieb zu gewähren.

Auf alternativen Pfaden

Im Norden geht es weniger herrschaftlich zu: dort darf sehr wohl gelatscht werden, über Kieselsteine, vorbei an lodernden Feuerschalen, an Kunstinstallationen und Tango tanzenden Museumsnacht-Besuchern. Das Wagenhallen-Areal ist seit Jahren fester Bestandteil der Langen Nacht der Museen. Hinter den Toren zeigen die Kreativen ihre Werke. Düsteres wie die „Tatorte“ von Karin Sauerbier, die mit Licht und Schatten bedrohliche Welten auf Leinwand inszeniert. Auch das wohl größte Fahrradlager Stuttgarts, gestapelt von den Mitgliedern des Vereins Fahrräder für Afrika, hat geöffnet. Wer sich traut darf auf einem selbst gebauten Hochrad seine Runden drehen. Erstmals brennt es auch in den Feuerschalen auf dem Schick-Areal in Feuerbach. Seit vergangenem Jahr formiert sich dort eine neue kreative Spielwiese für Künstler, Fotografen, Bildhauer und Designer und offenbart den Besuchern in dieser Nacht genau wie die Wagenhallen ein stimmungsvolles, alternatives Bild der Stuttgarter Kulturlandschaft.

Impressionen von der Langen Nacht der Museen gibt es in unserer Fotostrecke - klicken Sie sich durch!