Der Flüchtlingsstrom bringt die deutschen Behörden an ihre Grenzen; sie sind nicht optimal aufgestellt: Zur Registrierung, zur Gesundheitsprüfung und zur Abgabe des Asylantrags müssen sich Flüchtlinge jeweils neu anstellen.

Karlsruhe - Schaffen es die Behörden, den Zulauf der Flüchtlinge im Land in die bürokratisch vorgesehenen Bahnen zu lenken? Daran darf man Zweifel haben. Bilder von Menschenschlangen vor den Toren von Registrierungsstellen oder bei der Asylantragabgabe gibt es nicht nur aus Berlin. Das kann man auch in Karlsruhe beobachten. Ein Brandbrief von zwei Flüchtlingshelferinnen offenbart das: „Es läuft nicht gut“. Von „chaotischem Terminmanagement“ ist die Rede. Ärger entlädt sich in erster Linie am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Doch die Probleme sind vielschichtiger. Kein Wunder, denn drei verschiedene Behörden sind dafür zuständig, die ankommenden Flüchtlinge zu registrieren, sie auf ihren Gesundheitszustand zu untersuchen und ihre Asylanträge in Empfang zu nehmen.

 

Ein Januartag, es ist morgens 6.30 Uhr. Knapp 100 Menschen stellen sich vor der neuen LEA-Stelle in der Karlsruher Felsstraße in eine Warteschlange, voneinander getrennt durch Absperrgitter. Nach und nach werden die Flüchtlinge, teils mit Rolli-Koffern, von Sicherheitspersonal in das Foyer des Gebäudes vorgelassen, der Start für das Prozedere der Registrierung. „Das sind Flüchtlinge, die bereits in der Felsstraße untergebracht sind“, sagt eine Sprecherin des Regierungspräsidiums.

Wenig später, knapp acht Kilometer Luftlinie entfernt, beginnt bei der früheren LEA-Hauptstelle an der Durlacher Allee um acht Uhr der Arbeitstag der BAMF-Mitarbeiter. Sie nehmen Asylanträge entgegen. An der Zufahrt vor dem Tor herrscht ein reges Kommen und Gehen. Immer wieder fährt ein Shuttle-Bus mit Heidelberger Kennzeichen auf den Hof. Auch hier bilden sich kleinere Schlangen vor dem Gebäude, die etwas von dem Ärger erahnen lassen, der sich in Karlsruhe aufstaut.

Strikt getrennte Abläufe

Seit Oktober sind die beiden Abläufe noch strikter getrennt als zuvor – Registrierung und Antragsstellung finden an unterschiedlichen Orten statt. Nach der Ersterfassung erfolgt in der Regel die Gesundheitsuntersuchung, durch Personal des Landkreises. Drei Behörden kooperieren bei Erfassung, Gesundheitscheck und den Asylanträgen: die Abläufe sind mit immens gestiegenen Zahl an Neuankömmlingen nicht einfacher geworden. Erfasst wird inzwischen auch in Heidelberg, Mannheim und anderswo.

15 400 Menschen kamen allein im November in Baden-Württemberg an. Sie wurden auf die Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt. Davon gibt es inzwischen etliche. Am 4. Januar waren allein in den Kasernen und zwei Einzelgebäuden in Mannheim 11 760 Flüchtlinge untergebracht, in der LEA in Karlsruhe mit ihren rund 14 Außenstellen waren es 5200. Die zwei Einrichtungen in Meßstetten und Ellwangen zählten am gleichen Januar-Tag 2270 und 2440 Flüchtlinge. Die seit September sukzessive zur Erfassungsstelle umfunktionierte Patrick-Henry-Village in Heidelberg beherbergte derweil 3740 Personen.

Karlsruhe hat weiter eine Schlüsselstellung – bei der Erfassung der Flüchtlinge, und vor allem bei der Annahme der Asylanträge. Auch wenn seit Wochen das neu aufgebaute „Flüchtlingsdrehkreuz“ in Heidelberg von hochrangigen Besuchern immer wieder wegen seiner Vorbildfunktion gepriesen wird. 153 Mitarbeiter hat die in Karlsruhe angesiedelte Außenstelle des BAMF inzwischen. Die Registrierung der Flüchtlinge, die bis dahin in Karlsruhe an zwei Standorten stattfand, ist seit Oktober komplett in die Felsstraße im Westen der Stadt verlegt worden. An der Durlacher Allee geht es jetzt nur noch um die Asylanträge – und den Gesundheitscheck.

Pannen bei Terminabsprachen

Untereinander sind die Behörden mit modernen PC-Netzwerken verbunden. Doch das verhindert offenbar nicht Pannen bei Terminabsprachen mit der jeweils anderen Behörde. Flüchtlinge die die Registrierung bei LEA-Mitarbeitern des Regierungspräsidiums durchlaufen haben, bekommen einen Termin-Zettel für die Vorsprache bei den BAMF-Kollegen. Bei denen sollen sie ihren Asylantrag einreichen. Zwei Flüchtlingshelferinnen aus dem Main-Tauber-Kreis hatten ihren Unmut über „chaotisches Terminmanagement“ in einem Brief zum Ausdruck gebracht. Auch eine Betreuerin aus Baden-Baden berichtete „von rund 225 wartenden Flüchtlingen an einem Dezembermorgen“. Die meisten waren um sieben Uhr morgens angestanden. 75 wurden jedoch wieder abgewiesen. Teils angereist aus weit entfernten Landesteilen, mussten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.

In einem Schreiben an den Staatsminister Klaus-Peter Murawski hatte die Karlsruher Regierungspräsidentin Nicolette Kressl bereits Anfang Dezember die Abläufe moniert. Die Probleme scheinen aber auch „hausgemacht“. Auf vorgegebene Termine der BAMF-Sekretariate teilen die drei Stellen in Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg „im Rahmen der Registrierung“ Flüchtlinge zu, sagt Kressl. 150 Asylanträge pro Tag könne das BAMF bearbeiten, die Kapazitäten bei der Registrierung würden jedoch „bei derzeit 500“ liegen. Eine Sprecherin ihres Hauses spricht von „bis zu 300“. Deshalb schicke das „BAMF“, sobald die 150 Termine für einen Tag vergeben seien, „eine Sperrmail an die drei Registrierungseinrichtungen“, damit für diesen Tag keine weiteren Termine vereinbart würden. Häufig jedoch seien „diese Sperrmails zu spät versandt worden“. Dabei übersah Kressl wohl, dass ihre LEA-Mitarbeiter bei der Registrierung in Karlsruhe von sieben Uhr morgens bis abends um 20 Uhr arbeiten – seit Monaten in zwei Schichten.

Arbeitszeiten schwer kompatibel

Die BAMF-Leute sind jedoch „in der Regel“ zwischen acht und 16 Uhr anzutreffen, bestätigt die Pressestelle in Nürnberg: trotz gestiegener Mitarbeiterzahl. Dazu kommt, dass das LEA-Referat im Regierungspräsidium neu strukturiert wurde. Der jetzigen Abteilung 9 stehen – mit Sitz in Mannheim – eigene Ansprechpartner vor Ort für Mannheim und Heidelberg gegenüber. Das geschah auf Drängen der Städte, da dort inzwischen dreimal so viele Flüchtlinge untergebracht sind wie in Karlsruhe.

Mittlerweile hat sich auch Karlsruhes Rathauschef Frank Mentrup (SPD) eingeschaltet. Er gab in einem Schreiben an die Fraktionschefs im Stadtrat der Hoffnung Ausdruck „die Überterminierung – und damit verbundene Erschwernisse – schnell beseitigen zu können“. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so bestätigt ein Sprecher auf Anfrage, bereite zusätzlich „den Einsatz mobiler Teams“ vor.

Die Absprachen zwischen den drei Registrierungsstellen in Karlsruhe, Heidelberg und Mannheim mit den BAMF-Leuten sind aber offenbar nicht die einzigen Probleme. Nach der Ersterfassung folgt in Karlsruhe die Gesundheitsuntersuchung durch Personal des Landratsamtes. „Die Zusammenarbeit mit der LEA gestaltete sich unter sich stetig ändernden Rahmenbedingungen in der Vergangenheit nicht immer einfach, aber in der Sache konstruktiv“, sagt ein Sprecher. Auch seien die in der Durlacher Allee für die ärztliche Untersuchung, das Röntgen sowie Impfungen zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten „nicht auf den seit Monaten bestehenden großen Andrang von Flüchtlingen ausgelegt“. Immerhin, scheinbar ein Lichtblick: In der LEA an der Durlacher Allee „werde seit August 2015 ein Röntgengerät durch das Klinikum Karlsruhe betrieben“.