Der Vorstand hat ebenfalls die Augsburger Immobiliengruppe favorisiert. Stuttgarts Erster Bürgermeister, Michael Föll, kritisiert die Entscheidung scharf.

Stuttgart - Nach monatelangen Vorbereitungen soll einer der größten Immobilienverkäufe in Deutschland seit der Finanzkrise abgeschlossen werden. Am Montagabend hat der Aufsichtsrat der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) nach mehrstündiger Beratung entschieden, rund 21 500 Wohnungen der LBBW Immobilien an die Augsburger Patrizia AG zu verkaufen. Der Vorstand hatte dem Gremium vorgeschlagen, die hauptsächlich im Südwesten angesiedelten Immobilien an ein Konsortium unter der Führung der börsennotierten Patrizia zu veräußern. Hierzu gehören unter anderem fünf deutsche Versicherungen, ein schwedischer und ein Schweizer Pensionsfonds und deutsche Pensionskassen. Vorstandschef Hans-Jörg Vetter hat sich angeblich schon früh auf Patrizia festgelegt und seine Präferenz den Aufsichtsratsmitgliedern offensiv nahegelegt.

 

Die Bank will ihre Entscheidung so fällen, dass sie juristisch unangreifbar bleibt. In Branchenkreisen wird damit gerechnet, dass die unterlegene Partei gegen die Verkaufsentscheidung klagt.

Bürgermeister Michael Föll zeigte sich tief enttäuscht

Die Entscheidung war denkbar knapp. Patrizia und ihre Partner aus der Versicherungswirtschaft haben dem Vernehmen nach für die LBBW Immobilien GmbH, von der die Wohnungen verwaltet werden, zwar mehr geboten als das Baden-Württemberg Konsortium. Die Differenz zwischen den Geboten macht dem Vernehmen nach aber lediglich 30 Millionen Euro aus. Das Baden-Württemberg Konsortium wird von der Stuttgarter Wohnungsbaugesellschaft GWG, einer Tochter der R+V Versicherung (60 Prozent), und der Stadt Stuttgart (25,1 Prozent) angeführt. Der Kaufpreis beträgt 1,435Milliarden Euro.

Stuttgarts Erster Bürgermeister Michael Föll (CDU) zeigte sich am Abend tief enttäuscht über die Entscheidung gegen das Angebot des Konsortiums. „Heute hat das Geld über die Vernunft gesiegt“, so Föll. Durch die schwache Sozialcharta seien die Weichen schon früh zugunsten von Finanzinvestoren gestellt worden. „Und das ist jetzt das Ergebnis, das Aufsichtsrat und Vorstand zu verantworten haben“, sagte Föll. Für die Stadt Stuttgart kündigte er an, dass geprüft werde, welche Möglichkeiten man nun habe, die Mieter zu schützen. In diesem Zusammenhang dürfte die jüngste Forderung aus dem Gemeinderat nach einer Erhaltungssatzung für das Nordbahnhofviertel im Zuge von Stuttgart 21 neu diskutiert werden. Dort befinden sich rund 2000 der 4000 Stuttgarter LBBW-Wohnungen.

Es wird garantiert, 18 000 Wohnungen im Land zu halten

Die EU-Kommission schreibt vor, dass die Bank das „wirtschaftlich beste Angebot“ annehmen muss. Dieses müsse nicht notwendigerweise identisch sein mit dem Höchstgebot, erläuterte eine Sprecherin der EU-Kommission. Berücksichtigt würden auch Faktoren wie die Zahlungsmodalitäten. Brüssel achtet penibel darauf, dass der Verkaufspreis ein Marktpreis ist, „so dass eine Beihilfe zugunsten des Käufers ausgeschlossen werden kann.“ Dies engt den Entscheidungsspielraum von Vorstand und Aufsichtsrat der LBBW ein. Der Verkauf der Wohnungen ist Teil der Sanierungsauflagen, die die halbstaatliche Bank von der EU erhalten hat. Der Mieterbund und Verdi kritisieren jedoch, dass der höher Bietende den Preis auch deshalb zahlen kann, weil er weniger Garantien für Mieter und die rund 300 Mitarbeiter der LBBW Immobilien GmbH leistet und eine höhere Rendite als das lokale Bieterkonsortium anstrebt.

Die ehemals gemeinnützige GWG-Gruppe genießt beim Mieterbund einen guten Ruf. Sie hat über die von der Bank geforderte Sozialcharta hinaus umfangreiche Zusagen gemacht. So soll für alle rund 60 000 Mieter ein 20-jähriger Kündigungsschutz gelten. Zudem garantiert das Konsortium, auf jeden Fall 18 000 Wohnungen im Land dauerhaft zu halten.

Insbesondere für die SPD-Politiker im Aufsichtsrat wie für die sieben Arbeitnehmervertreter ist das Votum zweischneidig. Einerseits wollen sie soziale Interessen vertreten, andererseits sind sie verpflichtet, für die Bank einen guten Kaufpreis zu erzielen. Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) hatte schon früh erklärt, dass er sich auch einen Finanzinvestor als Käufer vorstellen könnte. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) nahm nicht an dem Treffen teil, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Landeshauptstadt ist mit 19 Prozent an der LBBW beteiligt. Sie ist also auf Verkäufer- und Käuferseite aktiv. Von den anderen beiden Aufsichtsräten, die für die Stadt in dem Gremium sitzen – Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und der Ex-Celesio-Chef Fritz Oesterle – sei nur Oesterle dabei gewesen, heißt es.