Der Anreiz für eine Bank ist groß, bei der Bilanzerstellung die Konsolidierung einer Tochtergesellschaft zu vermeiden. Bei der LBBW soll dabei nicht alles mit rechten Mitteln zugegangen sein.

Stuttgart - Eigentlich hätte der Fall abschreckend wirken müssen: Ende 2001 legte der US-Konzern Enron eine gigantische Pleite hin; der Energieriese hatte sich heillos im Gestrüpp seiner verschachtelten Finanzierungen verheddert. Unter anderem konstruierte Enron Schulden in Höhe von 20 Milliarden Dollar so, dass sie nicht in der Bilanz auftauchten – was sich später als nur teilweise legal erwies. Die Bankenbranche machte sich aber in großem Stil den Umstand zunutze, dass keineswegs jede Tochtergesellschaft in den Konzernabschluss übernommen werden muss; das war die Geburtsstunde von milliardenschweren Investmentvehikeln.

 

Dass hierbei nicht alles mit rechten Dingen zuging, vermutet die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Fall der LBBW. Die Ermittler werfen den Beschuldigten vor, sogenannte Zweckgesellschaften wie Lake Constance Funding mit einer Bilanzsumme von mehr als sechs Milliarden Euro nicht in die Konzernabschlüsse 2005 und 2006 aufgenommen zu haben, obwohl zwischen LBBW und den Zweckgesellschaften Beherrschungsverträge bestanden. Diese Abhängigkeit sei verschleiert worden durch Pro-forma-Verträge, wonach die LBBW Dienstleistungen wie Anlageberatung und Verwaltung für die Zweckgesellschaften erbracht habe. Der Name Zweckgesellschaft deutet darauf hin, dass die Gesellschaften einen genau definierten, eng abgegrenzten Geschäftszweck haben.

Kreditvolumen auf Zweckgesellschaften ausgelagert

Von Enron bis Lake Constance haben sich Finanzspezialisten den Umstand zunutze gemacht, dass es keine einheitlichen Rechnungslegungsstandards mehr gibt. Stattdessen herrscht Vielfalt, von HGB über US-Gaap bis IFRS – auch bei den Konsolidierungsgrundsätzen. Klar war früher nur, dass ein Konzern Gesellschaften konsolidieren muss, die ihm mehrheitlich gehören und wirtschaftlich eine gewisse Rolle spielen. Im Fall der Zweckgesellschaften ließ sich die Konsolidierung meist dadurch leicht vermeiden, dass der Initiator – in diesem Fall die LBBW – nicht die Mehrheit hielt. Es wurde ein Investor an Bord geholt, der die Mehrheit der Stimmrechte und auch die Geschäftsführung übernahm.

Die 2009 verabschiedete Bilanzreform (BilMoG) versucht die Konsolidierungspflicht von quantitativen Größen zu lösen und stellt darauf ab, wer der Nutznießer der Konstruktion ist. Für die auf den Mittelstand spezialisierte Wirtschaftsprüfung Rödl aus Nürnberg bleibt es trotzdem häufig eine Ermessensentscheidung, ob nun konsolidiert wird oder nicht. Banken gründeten in großem Stil Zweckgesellschaften, um ihre Kapitalprobleme zu lösen. Die Kapitalknappheit beschränkte zusehends die Möglichkeit zur Vergabe weiterer Kredite, denn zwischen Kapital und Ausleihungen gibt es aufsichtsrechtlich eine enge Verknüpfung. Statt sich neues Kapital zu beschaffen, wurden Teile des bestehenden Kreditvolumens auf Zweckgesellschaften ausgelagert, was Spielraum für die Vergabe neuer Kredite schuf.

Das Zauberwort bei dieser wundersamen Kreditvermehrung hieß Asset Backed Securities (ABS): Die Zweckgesellschaft erwarb Kreditforderungen von der Bank und verpackte sie in ein Wertpapier, das an Investoren verkauft wurde; besichert war das Wertpapier durch die erworbenen Forderungen (Asset Backed). Die LBBW tat sich auf dem Markt der ABS-Papiere für mittelständische Unternehmen als treibende Kraft hervor. Andere Banken konzentrierten sich stärker auf die Großindustrie. Dem Mittelstand wurde das Instrument als modern angepriesen, konnten so doch in der eigenen Bilanz die als altmodisch geltenden Kredite durch die vorgeblich zeitgemäßeren Anleihen ersetzt werden.