Das Landgericht Stuttgart ließ beim LBBW-Prozess am Donnerstag erkennen, dass es keine strafbaren Mängel in den Jahresabschlüssen 2005 und 2006 sieht. Damit könnte sich der gravierendere Teil der Anklage erledigt haben.

Stuttgart - Der Prozess gegen die sechs früheren und einen freigestellten Vorstand der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sowie zwei Wirtschaftsprüfer vor dem Landgericht Stuttgart schien am vierten Verhandlungstag unspektakulär zu verlaufen. Der Erste Staatsanwalt setzte die Befragung des vom Gericht bestellten Sachverständigen, des Frankfurter Ökonomieprofessors Mark Wahrenburg, fort. Fast viereinhalb Stunden lang richtete Heiko Wagenpfeil allgemeine Fragen nach der Rolle von Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfern und der Finanzaufsicht an den Professor für Bankbetriebslehre, aber auch Detailfragen zum Charakter des strittigen Verbriefungsgeschäftes der Landesbank (ABS-Programm). Dieser antwortete präzise und ausführlich. Er hielt so einen erkenntnisreichen Vortrag über die Finanzmarktkrise 2008, die seinerzeitigen Schwächen des Risikomanagements in Kreditinstituten und die Nöte der ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts mit Liquidität voll gepumpten Landesbanken, dieses Geld losgelöst vom Kundengeschäft sinnvoll anzulegen.

 

Schon am dritten Verhandlungstag des Mammutverfahrens wegen mutmaßlicher Bilanzmanipulation hatte Wahrenburg deutlich gemacht, dass er die Sicht der Staatsanwaltschaft in dem zentralen Anklagepunkt nicht teilt. Indem die LBBW – wie viele andere Geldhäuser auch – ihre Zweckgesellschaften bis einschließlich 2006 nicht in die Konzernbilanzen aufgenommen habe, sei die Lage der Bank nicht wesentlich anders dargestellt worden, als es bei einer Konsolidierung der Fall gewesen wäre. Die Strafverfolger sehen hier in den Jahren 2005 und 2006 Versäumnisse bei dem damals amtierenden Vorstand unter der Führung von Siegfried Jaschinski.

Doch Wagenpfeil bohrte nach. Solange, bis es einem der Verteidiger zu bunt wurde. „Man hat den Eindruck, dass Sie aktuell etwas im Trüben fischen“, wandte Wolf Schiller, der Anwalt von Hans-Joachim Strüder, ein. Augenblicklich nahm der Vorsitzende Richter Hartmut Schnelle den Staatsanwalt in Schutz. Er halte die umfassende Befragung des neutralen Experten für gerechtfertigt. „Um das Gutachten zu akzeptieren, muss er alles hinterfragen“, sagte Schnelle an die Adresse von Schiller gerichtet.

Ein Paukenschlag

Nachdem auch der Gutachter der Staatsanwaltschaft aufgetreten war, wurde klar, warum die 14. Große Wirtschaftsstrafkammer den Staatsanwalt in aller Ruhe gewähren ließ, ihrerseits aber keine Fragen gestellt hat: Schon am Morgen vor Verhandlungsbeginn habe das Gremium beraten und sei zu dem Schluss gekommen, dass „wir das Gutachten (von Prof. Wahrenburg) vorläufig für überzeugend halten“, sagte Schnelle. Im Kern heißt das: die Konsolidierung oder Nichtkonsolidierung der neun Zweckgesellschaften der Bank ist nicht wesentlich für die betreffenden Konzernabschlüsse. Deshalb kann in dem Punkt auch kein Investor oder Eigentümer der Bank getäuscht worden sein. Ein Paukenschlag. „Der Strafvorwurf ist weg“, urteilte der Anwalt Thomas Knierim nach der fünfeinhalbstündigen Verhandlung.

Dafür spricht auch, dass der in Tokio lebende Ex-Vorstand Peter Kaemmerer künftig nicht mehr persönlich zu den wöchentlich stattfindenden Gerichtsterminen erscheinen muss. Ihm drohe sonst der Verlust des Arbeitsplatzes, erklärte Schnelle. Kaemmerer unterschrieb eine Erklärung, dass ihm klar sei, dass ihm einen Strafe bis zu sechs Monaten Haft oder eine Geldstrafe über 180 Tagessätze drohe. Dies liegt deutlich unter dem im Gesetz genannten Strafmaß für Bilanzmanipulation. Dort ist die Rede von bis zu drei Jahren Gefängnis. Auch diesen Umstand wertet Knierim als positives Signal für die Beschuldigten. Wäre der Themenkomplex mit den Zweckgesellschaften isoliert behandelt worden, „hätte der Richter die Angeklagten freigesprochen“, sagte er. Staatsanwalt Wagenpfeil sagte nach Sitzungsende, er werde nun überlegen, wie er die Expertise von Wahrenburg bewerte. Es steht ihm frei, noch weitere Beweisanträge zu stellen.

Der Richter drückte erkennbar aufs Tempo. Zum einen lud er eine ganze Reihe von Zeugen aus, zum anderen forderte er die Bankmanager und ihre Anwälte auf, sofort mit ihren Einlassungen zum zweiten Anklagekomplex zu beginnen: dem Lagebericht 2008 und der Frage, ob dort die Risikotragfähigkeit der Bank beschönigend dargestellt wurde. Die Verteidiger baten aber noch um Vorbereitungszeit bis zum nächsten Termin am kommenden Donnerstag. Konkret will der Richter wissen, ob stille Lasten über 5,6 Milliarden Euro in der Bilanz 2008 bei der Risikobewertung für die LBBW berücksichtigt worden sind.