Die Mieterinitiative LBBW-Patrizia kämpft für soziale Mieten und dafür, dass die Verwaltungsgesellschaft Südewo ihren Aufgaben nachkommt. Sorge bereitet den Anwohnern am Nordbahnhof aber auch der Baustellenverkehr von Stuttgart 21.

S-Nord - Die Stimmung im Gemeindesaal der Martinsgemeinde ist düster gewesen. Und das nicht nur, weil zwei Sicherungen durchgebrannt waren und deshalb nur die Hälfte des Saals ausgeleuchtet werden konnte. Düster war die Stimmung vor allem deshalb, weil viele Menschen im Nordbahnhofviertel Angst haben, ihr Zuhause zu verlieren. Die Mieter der früheren Landesbank-Immobilien, die jetzt von der Süddeutsche Wohnen Gesellschaft (Südewo) verwaltet werden, sind sich nicht sicher, ob sie sich ihre Wohnungen bald noch leisten können.

 

Deshalb wollten die etwa 80 Zuhörer bei der öffentlichen Mieterversammlung zum einen wissen, ob die zuletzt angekündigten Mieterhöhungen der Südewo rechtmäßig seien. Vereinbart waren in der Sozialcharta nämlich nur etwa drei Prozent. Die Mieterhöhungen im Nordbahnhofviertel sind jedoch deutlich höher ausgefallen. Zum anderen fragten sich viele Anwohner, ob sie wegen der zu erwartenden Beeinträchtigungen durch den Bau von Stuttgart 21 Mietminderungen geltend machen können. Am Nordbahnhof gibt es eine zentrale Logistikfläche, die täglich voraussichtlich von bis zu 1200 Lkw angefahren würde. Solange die angekündigte Logistikstraße nicht gebaut ist, müssen die Anwohner mit mehr Verkehr und mehr Lärm rechnen.

Mögliche Anwaltskosten schrecken viele Mieter

Die Antworten auf diese Fragen konnten die Anwesenden nicht zufrieden stimmen. So bezieht sich die Vereinbarung in der Sozialcharta, Mieterhöhungen auf drei Prozent pro Jahr zu begrenzen, lediglich auf einen Durchschnittswert für alle an die Patrizia Immobiliengesellschaft verkauften Wohnungen. Daher kann die Südewo als Verwalterin die Mieten im Nordbahnhofviertel um 20 Prozent innerhalb von drei Jahren erhöhen, wenn der Wert in anderen Städten weniger als drei Prozent beträgt. Noch liegen die Mieten im Viertel deutlich unterhalb der im Mietspiegel genannten Grenze. Einzig diejenigen, deren Mieterhöhungsschreiben formell falsch sind, können eine Erhöhung zumindest hinauszögern. „Damit verschieben sich alle folgenden Mieterhöhungen um sechs bis neun Monate“, erklärte der Mieterverein-Anwalt Rens Rüggeberg. Somit könne sich dieser Schritt lohnen.

Doch viele Mieter fürchten eine Auseinandersetzung, weil sie sich keinen Anwalt leisten können, das wurde bei dieser Veranstaltung deutlich. Deshalb nahmen sich Günter Krappweis von der Mieterinitiative LBBW-Patrizia und seine Mitstreiter auch Zeit, über Prozesskostenbeihilfen und ähnliche Angebote zu informieren.

Kundgebung auf dem Schlossplatz geplant

Hans-Georg Glaser von der Mieterinitiative riet den Anwesenden, von ihrem Recht auf Instandhaltungsarbeiten Gebrauch zu machen und etwa Malerarbeiten turnusmäßig einzufordern. Glaser betonte dies deshalb, weil er von mehreren Mietern erfahren habe, dass die Hausmeister solche Anliegen abblockten, obwohl die Südewo vertraglich dazu verpflichtet sei. Glaser vermutet, das habe System. Je Mieter kommen auf diese Weise jährlich 500 Euro zusammen, auf deren Auszahlung die Mieter keinen Anspruch haben.

Wegen der S-21-Bauarbeiten müssten sie mit Lärm und Dreck rechnen, befürchten Anwohner. Claudia Jechon von der Gruppe Nordlichter sagte, diese Belastungen seien Studenten wohl nicht zuzumuten, weil deren Heim an der Haltestelle Nordbahnhof bereits in eine Unterkunft für Asylbewerber umgewandelt worden sei. Eine Entscheidung, ob eine jahrelange Beeinträchtigung durch die Bauarbeiten zu Stuttgart 21 Mietminderungen rechtfertigt, stehe noch aus, hieß es bei der Sitzung. Es gebe aber ein Urteil, wonach ein höheres Verkehrsaufkommen kein Grund für eine Mietminderung sei. Weil sich die Mieter nur bedingt juristisch gegen Erhöhungen wehren können, wollen Mieterverein und -initiativen aus ganz Stuttgart politisch aktiv werden. Am Donnerstag, 7. März, planen sie eine Kundgebung auf dem Schlossplatz, um für soziale Mietpreise zu kämpfen.