Der Damaszener Ahmed Habasch lebt seit 1958 in Deutschland. Der inzwischen 80-Jährige war ein früher Emigrant und einst Ingenieur bei Bosch. Und oft an der Seite von Ministerpräsident Lothar Späth.

Gerlingen - Er kann mitreden: Ahmed Habasch weiß, was es heißt, sein Heimatland zu verlassen. Der 80-Jährige kam vor knapp 60 Jahren nach Leipzig. Aber er verließ die DDR und ging in die Bundesrepublik. Er war einer der „Außenminister“ von Bosch, arbeitete für die Landesregierung, war Vertrauter Lothar Späths. Heute wirbt er für die Flüchtlinge, nicht nur die aus Syrien, und deren Integration: „Sie sind eines der größten Geschenke, das Deutschland je bekommen hat.“ Am kommenden Freitag hält er einen Vortrag im Stadtmuseum – nicht nur zu politischen Themen. Er schlüpft bei „Ein Gerlinger Syrer erzählt“ auch in die Rolle eines orientalischen Erzählers. Denn der 1936 Geborene versteht sich „als Deutscher mit arabischer Emotionalität“, als Brückenbauer.

 

Aus Syrien in die DDR geschickt und von dort abgehauen

Sein Einfamilienhaus ist sehr schwäbisch. Spätestens unter dem Dach aber bemerkt der Besucher die arabischen Einflüsse: Da steht im Büro des Hausherrn jede Menge Literatur zum Nahen und Mittleren Osten. Als Berater muss er bei vielen Themen fit sein. Nur auf technischem Gebiet hat Ahmed Habasch nicht lange gearbeitet. Mit 22 wurde er von Damaskus zum Studium nach Leipzig geschickt. Noch während der Vorbereitung ging er nach West-Berlin. „Ich hatte zwar ein Stipendium vom Staat, habe mich aber der Obrigkeit entzogen.“ Es zog ihn nach Esslingen an die bekannte Ingenieurschule. „Die Industrie war scharf auf deren Absolventen.“ Zehn Jahre lang wohnte er am Neckar, weitere zehn in Schwieberdingen. Da war er schon bei Bosch, 1966 heiratete er seine Frau Waltraud. Diese private Verbindung zwischen Orient und Okzident, zwischen Islam und Christentum, hält seit 51 Jahren. „Ich war oft alleine daheim mit den Kindern“, sagt Waltraud Habasch – und lacht.

Der Ehemann wurde 1983 vom Entwickler beim Weltkonzern zum Berater von Lothar Späth; der Ministerpräsident hatte jemanden gesucht, „der sich auskennt“. Er bereitete unzählige Reisen in den Nahen und Mittleren Osten und Gespräche bei Firmen dort vor. Im arabischen Raum habe man „Baden-Württemberg als Deutschland betrachtet“. Und er sei immer an Späths Seite gewesen – im Flugzeug wie bei Gesprächen.

Noch immer Diplomat

Für den „MP“ war er „mei Habaschle“. Man merkt dem 80-Jährigen nicht an, ob ihn diese Verkleinerung gekränkt hat oder ob er stolz darauf war – obwohl Späth ihn als „Vorzeigemigrant“ bezeichnet habe. Er ist eben Diplomat. Jedenfalls sagt er in seiner blumigen Sprache, mit deutschen Worten und arabischem Duktus: „Ich fühle mich wie ein Baum. Meine Wurzeln sind in Damaskus, der Stamm, die Zweige und Früchte in Deutschland.“

Der Krieg in Syrien ist für Habasch eine menschliche Katastrophe: „Die Syrer haben die Kontrolle über ihre Heimat verloren.“ Den Flüchtlingen, besonders den Jugendlichen, müsse man zu ordentlicher Ausbildung verhelfen. „Sie müssen das deutsche Denken aufnehmen und tragen, die Brücke zwischen den Kulturen hier und dort bilden.“ Und sie müssten auch eines erkennen: „Die Schwaben sind sehr zurückhaltend. Wenn sie aber zu Freunden geworden sind, sind sie sehr zuverlässig“, sagt er.

„Ein Gerlinger Syrer erzählt“ heißt der Abend mit Ahmed Habasch im Gerlinger Stadtmuseum: Am Freitag, 9. Juni, 18.30 Uhr.