Im Rahmen des Kulturfestival „Lebens-Bühnen“ präsentieren Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten im Dialog mit dem historischen Gebäuden. Im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition fühlen sich Akteure und Besucher gleichermaßen wohl.

Beuren - Die Splitter vom Jurakalk, aus dem der Ostfilderner Künstler Uli Gsell seine Zeitfenster geschlagen hat, sind von den Besuchern vom Fleck weg als begehrte Souvenirs eingesammelt worden. Beim szenischen Fotoshooting von Daniela Wolf und Jule Koch sind die „Models“ Schlange gestanden, und Tobias Ruppert hat in seiner Sprechkabine „Archiv der Gegenwart“ schon jetzt so viele Stellungnahmen zum Leben gesammelt, wie er eigentlich während des gesamten Sommers erwartet hatte. Auf den Lebens-Bühnen, dem die ganze Saison umspannenden Kulturfestival im Freilichtmuseum Beuren, herrscht schon zur Halbzeit reges Leben.

 

Das Experiment, bei dem sieben Künstler mit ihren Arbeiten den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart geschlagen haben, ist im Museumsdorf auf fruchtbaren Boden gefallen. „Wir sind mit der Resonanz sehr zufrieden“, sagt Sarah Panten. Bei der Kunstbeauftragten im Esslinger Landratsamt laufen die organisatorischen Fäden des Festivals zusammen.

Landkreis denkt daran, auserwählte Kunstwerke zu erwerben

Die Kunstwerke, am augenfälligsten Gsells Jurakalk-Skulptur und gleich im Eingangsbereich die leuchtkräftigen Bienenkästen von Bettina Bürkle, treten nicht in Konkurrenz zu den historischen Gebäuden, sondern setzen sie durch den Perspektivwechsel neu in Szene. Das haben auch die Organisatoren erkannt. „Es gibt Überlegungen, zumindest diese beiden Kunstwerke zu erwerben und dauerhaft auf dem Gelände zu lassen“, sagt Sarah Panten. Da der Kauf den mit 50 000 Euro ohnehin eng gezimmerten Finanzrahmen des Projekts sprengen würde, wird sich wohl bald der Esslinger Kreistag mit dem Anliegen befassen müssen.

Den schwebenden Kontrapunkt zu den bodenständigen Objekten setzt die Künstlerin Stefanie Seiz-Kupferer mit ihrer ästhetischen Forschung über die „Metamorphose der Lepidoptera“. Ihr künstlerisches Interesse gilt dem Entstehungsprozess – inspiriert von den Verwandlungen, die der Nachtfalter mit dem lateinischen Namen Lepidoptera auf dem Weg vom Ei über die Raupe und den Kokon bis hin zum Falter durchlebt. Den Prozess können die Besucher des Freilichtmuseums im Rahmen eines Workshops aktiv mitgestalten. Zehn Leerstellen, in Form von zeltförmigen, mit Juteschnur ummantelten Gerüsten warten darauf, mit Inhalt gefüllt zu werden. Mit welchen Inhalten, das entscheiden die Workshop-Teilnehmer. Mythen, Materialien, Pflanzen, Substanzen, Identitäten, eigene und fremde Biografien – die Künstlerin lässt den Teilnehmern bewusst freie Hand. „Wir sind sehr gespannt, was dabei herauskommt“, sagt Sarah Panten.

Wesensuche an Mauern und Wänden

Das ist auch Bettina Leib, die sich am Donnerstag, 24. August, und am Samstag, 4. November, mit Kindern auf Spurensuche nach besonderen Formen macht. „An den Mauern, Wänden und Böden im Museum lassen sich mit etwas Fantasie ganz einzigartige Wesen entdecken“, sagt sie. Die Wesen werden in ihren Umrissen abgezeichnet, auf große Holzplatten übertragen und mit Acrylfarbe ausgemalt. Dabei kann es sein, dass die ursprüngliche Skizze in eine ganz andere Form flutscht.

„Ich lasse mich ganz von den Kindern leiten“, sagt Bettina Bürkle. Für sie selbst ist schon die Zusammenarbeit mit Kindern ein Stück Wesenssuche. „Sonst arbeite ich alleine im Atelier. Es ist spannend, den Elfenbeinturm der Kunst einmal zu verlassen“, sagt sie. Aus dem engen Schulterschluss mit dem Publikum haben auch schon andere Honig gesogen. So hatte Bettina Bürkle, begleitend zu ihrer Installation, einen Workshop „Fleißige Bienen“ angeboten. Im Begleittext dazu steht: „Zum Schluss stärken sich alle jungen Forscher mit einem Honigbrot.“ Die Lebens-Bühnen im Freilichtmuseum – alles andere als eine brotlose Kunst.