In der Lebenslauf-Affäre kann die Essener SPD nur noch an die Petra Hinz appellieren, das Mandat niederzulegen. Ihre rechtlichen Möglichkeiten sehen die Genossen vor Ort schon ausgeschöpft. Daher soll es die Bundestagsfraktion richten – doch die sieht keinen Handlungsbedarf.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Sozialdemokratin Petra Hinz, die als vermeintliche Juristin mit zwei Staatsexamen um Wählerstimmen geworben hat, obwohl sie nicht einmal das Abitur erlangt hatte, ist weiterhin abgetaucht für die Genossen – sie habe sich krank gemeldet und sei in stationärer Behandlung, heißt es. E-Mails schreiben kann sie aber offenbar, denn elektronisch hat die 54-Jährige am Donnerstag nach 14 Uhr ihren Essener Ortsverband darüber informiert, alle Ämter in der Partei niederzulegen. Eine weitere E-Mail mit dem gleichen Anliegen sandte sie ihrem Ortsverein Frohnhausen.

 

Sie wolle sich „zu einem späteren Zeitpunkt öffentlich zu äußern“, teilte der NRW-Justizminister und örtliche Unterbezirksvorsitzende Thomas Kutschaty am Donnerstagnachmittag mit. Hinz war in Essen bisher seine Stellvertreterin. Der Forderung, binnen 48 Stunden bis Mittwochabend ihr Bundestagsmandat abzugeben, ist sie aber nicht gefolgt. Nach dem erfolglosen Ultimatum sieht sich der Essener Unterbezirk am Ende seiner Möglichkeiten angelangt. „Der Ball liegt jetzt nicht mehr in unserem Spielfeld“, sagte Kutschaty. Daher spielen die Genossen den Ball ins Feld der Bundestagsfraktion, die darüber gleich nach der Sommerpause beraten soll. Dies wäre am 5. September.

Kein Zwang zum Mandatsverzicht

Der Justizminister will darüber mit Fraktionschef Thomas Oppermann gesprochen haben. Doch heißt es aus der Bundestagsfraktion, man sehe „keinen Handlungsbedarf“, weil Hinz selbst angekündigt habe, das Mandat abzugeben. Bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ist bisher kein solches Schreiben eingegangen. Kutschaty bekannte, dass eine Partei eine Bundestagsabgeordnete nicht zwingen könne, ihr Mandat aufzugeben – appellierte jedoch an die Moral von Hinz, dies „unverzüglich“ zu tun. Der Schritt sei „längst überfällig“.

Jeder Bürger mit Wahlrecht und bürgerlichen Ehrenrechten kann von den Parteien zur Wahl gestellt werden – ein polizeiliches Führungszeugnis muss dafür nicht vorgelegt werden. Die Parteien sind selbst dafür verantwortlich, wen sie nominieren. Erheblicher komplizierter ist es mit der Aberkennung eines Mandats, das lediglich unter engen Voraussetzungen denkbar ist: Laut dem Bundeswahlgesetz verliert ein Abgeordneter seine Mitgliedschaft im Bundestag nur, wenn schon ihr Erwerb ungültig war, wenn das Wahlergebnis neu festgestellt wird, wenn eine Voraussetzung seiner jederzeitigen Wählbarkeit entfällt, bei Verzicht oder der Feststellung, dass die Partei, der er angehört, verfassungswidrig ist. Diese Bedingungen sollen die Unabhängigkeit der Abgeordneten von ihrer Partei stärken.