Was tun Behörden und Cateringfirmen, um kontaminiertes Essen – wie kürzlich die mit Noroviren verseuchten Erdbeeren – rechtzeitig auszusortieren? Eine Umfrage im Großraum Stuttgart

Stuttgart - Als Dessert ein Schälchen Erdbeeren: für manchen Restaurantkunden und auch den ein oder anderen Kantinennutzer ist sommerliches Obst noch im November eine Selbstverständlichkeit. Für die gesamte Lebensmittelkette bedeutet es enormen Aufwand, diesem Anspruch zu jeder Jahreszeit mit gesundheitlich unbedenklichen Produkten gerecht zu werden. Dieser Aufwand scheint in aller Regel von Erfolg gekrönt zu sein. Denn die Epidemie, die vor gut einem Monat von Erdbeeren ausgelöst wurde, die mit Novoriven kontaminiert waren, hat eines gezeigt: Lebensmittel sind in Deutschland normalerweise so sicher, dass sie es gerade nicht bundesweit in die Schlagzeilen schaffen.

 

„Jeder Lebensmittelunternehmer ist gesetzlich verpflichtet, eine Gefahrenanalyse in seinem Betrieb durchzuführen und ein geeignetes Eigenkontrollkonzept anzuwenden“, erklärt Thomas Stegmanns, Leiter des Stuttgarter Veterinäramts. Konkret beinhalte das, einen Reinigungsplan zu entwickeln und umzusetzen, Arbeitsanweisungen zur Hygiene zu erteilen, oder die Ware durch ein beauftragtes Privatlabor auf Mikroorganismen untersuchen zu lassen. Wie gut diese Konzepte greifen, kontrollieren Veterinär- und chemisches Untersuchungsamt in Stuttgart jedes Jahr anhand von rund 3300 Stichproben.

Bei Erdbeeren waren es in den vergangenen Jahren zehn Stichproben; bei keiner war etwas zu beanstanden. Überhaupt gab es in der Landeshauptstadt in den vergangenen zwei Jahren keine ernsten Problemfälle. Ein Problem liegt jedoch im personellen Bereich: Nur 14 der 18 Stellen für Lebensmittelkontrolleure sind in Stuttgart derzeit besetzt. „Da es auf dem Arbeitsmarkt momentan an ausgebildetem Personal mangelt, konnten die freien Stellen bislang nicht besetzt werden“, sagt Stegmanns. Er setzt auf die hauseigene Ausbildung und wird derweil von neun Amtstierärzten unterstützt.

Ob tiefgekühlt oder frisch spielt für die Qualität keine Rolle

Der Winter ist aus Sicht des Veterinäramts für den Erdbeerliebhaber nicht anders als andere Jahreszeiten: „Tiefkühlware ist nicht sicherer als Frischprodukte, da durch den Gefriervorgang grundsätzlich keine Keime abgetötet werden“, erläutert Stegmanns. Auch bei der Sicherheit von regionaler Frischware und Importware seien „keine signifikanten Unterschiede feststellbar“. Sodexo, der Essenslieferant, dessen Erdbeeren in die Schlagzeilen gerieten, betont ebenfalls: „Es gibt keinen strukturellen Unterschied in der Risikoabwägung Tiefkühlware gegen frisch.“

Trotzdem vermeiden viele Kantinenbetreiber im Großraum Stuttgart tiefgekühlte Erdbeeren. Bei Daimler heißt es, man setze auf frische regionale Produkte, Erdbeeren gebe es daher nur in der Saison. Auch die 700 Kilo Erdbeeren, die in den 19 Kantinen der EnBW jährlich verarbeitet werden, sind „fast ausschließlich Frischware“, wie das Unternehmen erklärt. „Allerdings sind frisches Gemüse und übersaisonales Obst heutzutage aus den Essgewohnheiten nicht mehr wegzudenken, sodass wir unseren Gästen auch im Winter frische Tomaten, Gurken und Blattsalate anbieten.“

Die Zulieferer müssen bestimmte Vorqualifikationen nachweisen, etwa hinsichtlich Umweltverträglichkeit, Qualitätsmanagement und -sicherung. Nicht jeder Lieferant sei in der Lage, die geforderten Qualifikationen zu erbringen, heißt es bei der EnBW. Außerdem werde regelmäßig geprüft, ob die geforderten Produktspezifikationen eingehalten werden. „Wir haben ein externes Labor mit regelmäßigen Beprobungen von Eigenprodukten und Vorprodukten beauftragt.“

Kontrollen der eigenen und zugelieferten Produkte sind auch beim Klinikum Stuttgart selbstverständlich. Eine Fachkraft überwacht das Konzept des Risikomanagements in der Gemeinschaftsverpflegung. Erdbeeren erhalten die Patienten dennoch weder im Sommer noch im Winter: „Frische Erdbeeren sind zu empfindlich und aufwendig in der Verarbeitung. Und tiefgekühlte Erdbeeren kommen geschmacklich nicht an die Frischware heran“, begründet das die Klinikumssprecherin Ulrike Fischer.

Das Bild der strengen Kontrollen hat einen Schönheitsfehler

Wie die Großküchen arbeitet auch der Einzelhandel: „Um die Quote der Rückrufe so gering wie möglich zu halten, setzt die Rewe Group bei der Qualitätskontrolle bereits bei der Auswahl der Lieferanten an“ sagt der Sprecher Andreas Krämer. Gelistet würden nur Lieferanten, die nachweislich über ein effektives System der Eigenkontrolle verfügten. Deren Produkte hat das Unternehmen im vergangenen Jahr rund 25.000 Mal in Fachlaboren prüfen lassen.

Während Rewe ganzjährig Erdbeeren anbietet, vertreibt das Biounternehmen Alnatura die Früchte nur von Ende März bis September. „Sicher bedeutet für uns vor allem Bio“, sagt die Sprecherin Stefanie Neumann. Kaum ein Lebensmittel sei so gut kontrolliert wie Bio: Zusätzlich zu den üblichen Lebensmittelkontrollen der Behörden gebe es die Prüfung durch die Öko-Kontrollstellen, außerdem durch die Bioverbände und das eigene Labor.

Das schöne Bild der strengen und streng kontrollierten Vorschriften hat dennoch einen Schönheitsfehler: Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat am 24. Oktober Sodexo gegenüber erklärt, dass die Firma kein Verschulden im Zusammenhang mit den Magen-Darm-Erkrankungen trifft und Sodexo keinerlei Versäumnisse vorzuwerfen sind. „Die Gesundheitsämter und lokalen Amtsärzte haben unsere Küchen in den letzten Wochen vielfach als absolut einwandfrei mit Blick auf Hygiene, Lebensmittelkontrolle und Lebensmittelfrische getestet“, teilt Sodexo mit. Die Noroviren waren trotzdem auf den importierten Erdbeeren aus China.

Beim Klinikum Stuttgart ist man überzeugt: „Trotz erforderlicher Qualitäts- und Hygienenachweise durch die Lieferanten besteht stets ein nicht ausschließbares Restrisiko bei Lebensmitteln.“ Das sieht selbst der Biohändler Alnatura nicht anders. Tatsächlich könnte es absolute Sicherheit wohl nur geben, wenn jede Charge eines jeden Produkts auf jedes erdenkliche Risiko getestet würde.