Agrarministerin Aigner geht in die Offensive und hat einen Zehn-Punkte-Aktionsplan für mehr Sicherheit von Lebensmitteln vorgestellt.

Berlin - Wie in jeder ordentlichen deutschen Behörde gibt es auch im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ein Archiv. Und dort findet sich bestimmt eine ganz dicke Mappe, die die Aufschrift "Aktionspläne und Sofortprogramme" tragen könnte. Denn so wie einst in der BSE-Krise die damals zuständigen Minister Andrea Fischer (Grüne) und Karl-Heinz Funke (SPD) einen Aktionsplan für sichere Lebensmittel präsentierten und der frühere Agrarminister Horst Seehofer (CSU) im Zeichen des Käuferbetrugs durch Gammelfleisch ein "Sofortprogramm" schrieb (in beiden Fällen traten übrigens auch die Länder mit allerlei Programmen auf den Plan, was sich wohl auch in der Mappe findet), hat nun auch die Agrar- und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) einen Aktionsplan vorgestellt.

Eine andere Wahl hatte sie auch gar nicht mehr. Schließlich war in den letzten Tagen die Kritik von Verbänden und der Opposition an ihrem Krisenmanagement in Sachen Dioxinfunde in Lebensmitteln immer lauter geworden. "Vielleicht hätte ich mehr nach außen kommunizieren müssen", räumte die Ministerin denn auch ein. Von einem Rücktritt will sie aber nichts wissen. Und des Rückhalts der Bundeskanzlerin sei sie sich auch gewiss. Wohl eher unabsichtlich teilte sie auch mit, warum ihr Krisenmanagement in den Augen vieler Bürger und der Opposition bisher nicht gut ankam: "Ich bin jemand, der ordentlich abarbeitet." Das mag sie getan haben.

Aigner besucht betroffenen Hof


Nur verlangen die Gebote einer Mediengesellschaft, dass dies auch nach außen deutlich wird, indem das Tun eines Ministers gebündelt, konsequent und zielorientiert vermittelt wird. Das ruft geradezu nach einem "Aktionsplan": Was ihre Vorgänger taten, macht nun also auch Aigner. Zudem will sie ihr Handeln mit Fernsehbildern unterlegen: Erstmals seit Ausbruch des Dioxinfalls besuchte sie am Freitag einen Landwirt bei Soltau sowie das Landesamt für Verbraucherschutz in Oldenburg.

Die Vermarktungsmaschinerie ist also angelaufen. Doch was bringt der Aktionsplan in der Sache? Oder anders gefragt: unternimmt die Ministerin etwas, was den Verbrauchern nützt, indem künftig Missstände in der Futter- und Lebensmittelwirtschaft behoben werden? Die Antwort darauf heißt: im Prinzip ja.

Der Aktionsplan sieht folgende Punkte vor: Wie schon vor Tagen angekündigt, will die Ministerin vermeiden, dass Futterfett und technische Fette in denselben Anlagen produziert werden. In Brüssel will Aigner dafür kämpfen, dass das, was in ein Futtermittel hineinkommen darf, auf einer rechtlich verbindlichen Positivliste steht. Auch sollen Privatlabore, die bei einem Lebens- oder Futtermittel bedenkliche Mengen an unerwünschten Stoffen feststellen, ihr Analyseergebnis an die zuständigen Behörden melden müssen. Dies hatten CDU/CSU und FDP noch vor Tagen in einer Sitzung des Agrarausschusses abgelehnt.

Die Verbraucher dürfen hoffen, dass Maßnahmen schnell greifen


Allerdings hat sich inzwischen solcher Handlungsdruck auf Aigner und Schwarz-Gelb aufgebaut, dass niemand mit Widerstand in Sachen Meldepflicht rechnet. Schließlich zählt sie zu dem "Maßnahmenplan", den die SPD-geführten Länder aufgestellt haben. Dieses Konzept deckt sich weitgehend mit Aigners "Aktionsplan".

Inzwischen ist ein skurriler Streit darüber entbrannt, welche Partei und welcher Politiker nach Ausbruch des Dioxinskandals wann welche Maßnahme für bessere Lebensmittel vorschlug. Der grüne Verbraucherminister von Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel, wirft Aigner "Ideenklau" vor. Was aber heißt, dass er Aigners Konzept gut findet. Immerhin stammt es nach seinem Bekunden ja von ihm.

Die Verbraucher dürfen somit Hoffnung schöpfen: Einen grundsätzlichen Streit darüber, was zu tun oder zu lassen ist, gibt es nicht. Nur bedeutet das nicht, dass Bund und Länder sowie Bund und EU rasch dazu kommen, die Vorschläge konkret in die Tat umzusetzen. Das schwerste Stück Arbeit steht also noch bevor, wie die Geschichte früherer "Aktionspläne" beweist. Seehofers Anti-Gammelfleisch-Konzept datiert vom November 2005. Weil sich die Umsetzung mit den Ländern schwierig erwies, griff der Minister im Herbst 2006 die Länder an. Die erklärten über Parteigrenzen hinweg, dass der Bund doch gefälligst die "konstruktive Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern" nicht infrage stellen möge. Konsens herrschte dann erst auf einer Konferenz von Bund und Ländern im Dezember 2006.