Die Schulbuchverlage wie Klett leiden unter dem demografischen Wandel in Deutschland. Der Zustrom von Flüchtlingen stoppt diesen Trend. Doch das reicht noch nicht, um erfolgreich zu bleiben.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart - Eigentlich sind es keine guten Zahlen, die Thomas Baumann, Vorstand der Stuttgarter Klett Gruppe, vor kurzem erfahren hat. Laut Statistischem Bundesamt ist die Schülerzahl im aktuellen Schuljahr schon wieder gesunken – wie schon in den Jahren zuvor. Rund 8,34 Millionen Schüler lernen derzeit auf allgemeinbildenden Schulen – das sind gut 30 000 weniger als im vergangenen Schuljahr. Ginge der Trend so weiter, läge die Zahl in fünf Jahren nochmals um rund 230 000 niedriger – so hat es die Klett Gruppe selbst berechnet.

 

Der demografische Wandel macht den Schulbuchverlagen wie dem Klett Verlag, der zur Klett Gruppe gehört, seit langem zu schaffen, denn es werden weniger Lehrmittel gebraucht.

Die Branche schöpft Hoffnung

Doch es gibt derzeit noch andere Zahlen, die für Wirbel und Hoffnung in der Branche sorgen: die der Flüchtlinge. Rund 300 000 zusätzliche schulpflichtige Flüchtlingskinder prognostizierte die Gewerkschaft GEW vor einigen Monaten für dieses Jahr. Wie viele es genau sind und wie viele davon bleiben, ist Spekulation, wie man auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge betont. Das Amt erfasst nur die Zahl der Asylerstanträge, die bei den 6- bis 17-Jährigen im vergangenen Jahr gut 80 000 betrug. Das heißt, das sind jene, die tatsächlich bearbeitet werden konnten. 45 000 von ihnen wurden bereits in den ersten vier Monaten dieses Jahres bewilligt.

Doch auch die niedrigere Zahl gibt der Branche bereits Zuversicht. „Wir gehen davon aus, dass die Schülerzahl in Deutschland ab jetzt zumindest stabil bleibt“, sagt Baumann. „Einen Umsatzzuwachs sehe ich im schulischen Geschäft nicht, aber eine Stabilisierung – und darüber kann man schon froh sein. Jetzt können wir wenigstens die Investitionen abfangen, die wir für die Digitalisierung der Lehrmittel brauchen.“

Die Digitalisierung ist die größte Herausforderung der Branche – und das mitten in einem Verdrängungswettbewerb, der nur noch drei Konkurrenten zurückgelassen hat, die 90 Prozent des Marktes dominieren. Neben dem Klett Verlag sind dies der Berliner Cornelsen Verlag und die Westermann Verlagsgruppe aus Braunschweig. Sie alle müssen die Lerninhalte auch für Tablets und Smartphones aufbereiten und entwickeln Onlineangebote, Apps und digitale Unterrichtsassistenten. Hinzu kommen die Kosten für Entwickler und den Unterhalt der Software. Dabei müssen die Verlage weiterhin auch die herkömmlichen Lehrmittel anbieten, schon deshalb, weil die meisten Schulen nicht mit der neuesten Technik ausgestattet sind. Das Problem: Die Ausgaben für Lehrmittel steigen dadurch nicht. „Wir machen mit unseren zusätzlichen Angeboten nicht mehr Umsatz „Aber wenn wir das nicht anbieten, können wir auch die Printumsätze nicht halten“, sagt Baumann lapidar. Und kritisiert: „Die öffentliche Hand gibt im Schnitt pro Schüler netto nur 50 Euro aus. Das ist viel zu wenig.“

Die Klett Gruppe kauft Bildungseinrichtungen dazu

Auch deshalb schaut die Klett Gruppe seit Jahren, wie sie die Abhängigkeit vom Schulbuchgeschäft reduzieren kann und baut das Engagement jenseits der Schulen massiv aus, vor allem bei der Erwachsenen- und Weiterbildung. Im Januar kaufte Klett die Fachhochschulen Cologne Business School und die Europäische Fachhochschule dazu. „Wichtige Meilensteine im Ausbau der Präsenzaktivitäten im Hochschulbereich“, nennt das Baumann. Außerdem verstärkte die Gruppe das Engagement bei den Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen, indem sie 2015 die BEST-Sabel-Bildungszentrum GmbH kaufte. Damit betrug der Umsatzanteil in diesem Geschäftsbereich im vergangenen Jahr bereits 30,4 Prozent, während das traditionelle Geschäft mit den Schulbüchern, Publikumsverlagen und Fachinformationen knapp zwei Drittel der Erlöse ausmachte. Insgesamt stieg der Umsatz damit 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 35 Millionen auf 495,1 Millionen Euro – was vor allem auf die Zukäufe zurückzuführen ist. Das Ergebnis nahm um 0,8 Millionen Euro auf 17,1 Millionen Euro zu.

Auch die Konkurrenten haben auf das schwierige Schulbuchgeschäft reagiert und sind ähnlich findig. Die Cornelsen Bildungsgruppe will künftig möglichst viele Berufs- und Altersgruppen weiterbilden. „Wir wollen ein Bildungsanbieter für alle Lebenslagen sein – von der Geburt bis ins hohe Alter“, sagt Kommunikationschef Klaus Holoch. Die Westermann Gruppe hat schon kleine Kinder als Kunden im Visier und ist auf der Suche „nach Wachstumsfeldern in anderen Bildungsbereichen und Märkten“, wie es heißt.

Europa ist das Ziel

Klett-Vorstand Baumann hat seinen Lieblings-Wachstumsmarkt bereits ausgemacht. Er liegt in Europa. „Ohne die Internationalisierung des Verlagsgeschäftes und den Ausbau von Präsenzdienstleistungen gibt es kein ausreichendes Wachstum“, sagt er. In den nächsten acht Jahren wolle die Klett Gruppe im zweistelligen Bereich wachsen – auch außerhalb Deutschlands. Der Anteil mit den Bildungsdienstleistungen solle bis dahin die Hälfte des Umsatzes ausmachen. „Unser Ziel ist es, ein europäischer Bildungskonzern zu werden.“