Studieren ist ganz schön anstrengend – und manchmal frustrierend. Die Uni Hohenheim will durch Forschung bereits im Studium mehr motivieren.

Stuttgart - Einen einheitlichen Studienraum für Europa sollte die Bologna-Reform schaffen, das Studium gestrafft werden. Gerade in Deutschland ist die damit einhergehende Verschulung auf Protest gestoßen. Doch es gibt Gegenkonzepte, die jetzt bei der von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) an der Uni Hohenheim veranstalteten Tagung „Forschendes Lernen“ vorgestellt werden, mit 120 Teilnehmern ist sie ausgebucht. Dass sich die HRK die mit knapp 10 000 Studierenden relativ kleine Uni Hohenheim ausgesucht hat, ist kein Zufall. Sie gilt als vorbildlich, hat vor zwei Jahren den Ars-legendi-Preis als Auszeichnung für Exzellenz in der Lehre gewonnen.

 

Forschendes Lernen bedeutet, dass Studierende schon im Studium wissenschaftliches Neuland betreten. Das stelle neue Anforderungen ans Lehrpersonal sowie an die Strukturen der Studiengänge, heißt es bei der HRK. So müssten auch die Prüfungsformate angepasst werden, statt Fachwissen müsse Können abgefragt werden. „Wir wollen mit mehr Forschung die Abbrecherquote senken. Kommen die Studierenden früh mit Forschungsthemen in Berührung, identifizieren sie sich stärker mit dem Fach. Es macht ihnen mehr Spaß“, sagt Christian Tauch, der bei der HRK das Projekt Nexus für bessere Studienerfolge leitet.

Forschen schon im Bachelor-Studiengang

Wenn Studierende schon im Bachelor-Studiengang forschen, ist das teurer und zeitaufwendiger. In Hohenheim existieren die Humboldt-reloaded-Projekte, eine Reminiszenz an den Bildungsforscher Alexander von Humboldt, der für die Einheit von Lehre und Forschung eintrat. Sie werden geleitet vom Zoologen Martin Blum, der Beispiele nennt für lernendes Forschen. So arbeiteten Doktoranden an Themen für ihre Promotion, bei der sie drei bis fünf Studierende in ihre Forschung mit einbezögen. Da wird beispielsweise erforscht, inwieweit sich ein für Alzheimer verantwortlich gemachtes Gen auch im Krallenfrosch (Xenopus) wiederfindet. Im Labor untersuchen die Studierenden die Gehirne von Kaulquappen und die Wirkung von Medikamenten auf sie. Von der Planung über die Durchführung bis zur Dokumentation – der Studierende wird zum Forscher. „In Hohenheim laufen 150 Humboldt-reloaded-Projekte, es sind alles Forschungsvorhaben, die sowieso an den Lehrstühlen stattfinden“, sagt Blum.

Die Studierenden da mit einzubeziehen, das ist das Novum, und dafür, so Blum, benötige man „Überzeugungstäter unter den Lehrenden“ sowie Geld. Andere Hohenheimer Beispiele sind die Grundlagenforschung in der ökologischen Schädlingsbekämpfung, die Verhandlungsforschung in der Online-Kommunikation oder ökonomische Modellrechnungen in den Wirtschaftswissenschaften. Bei denen finde Humboldt reloaded in Seminaren mit 20 Teilnehmern statt, die wieder forschende Untergruppen bildeten. „Es ist erstaunlich, welche Modelle schon Bachelor-Studierende errechnen“, findet Blum.

Spaß am Wissenschaftsprozess

Für den Hohenheimer Zoologen ist Forschung in der Lehre überaus wichtig: „Die Besten müssen früh Spaß am Wissenschaftsprozess entwickeln.“ Von der öffentlichen Hand wird die Zusatzarbeit immerhin anerkannt: Iris Lewandowski, Prorektorin für Lehre in Hohenheim, sagt, dass Humboldt reloaded auch „finanziell attraktiv“ sei. Für das erste Projekt in Hohenheim habe man 7,6 Millionen Euro an öffentlichen Drittmitteln erhalten, das Geld ging in die Forschung sowie die Lehre. Forschungsarbeiten in der Lehre benötigten eine intensive Betreuung, aber sie seien motivierender als die „Frontalform der Vorlesung“. Lewandowski lässt auch Alternativen erproben: etwa die „mobile Lehre“, bei der sich Studierende mit dem Smartphone zu bestimmten Orten der Forschung begeben und dort Informationen abrufen.

Am Qualitätspakt für die Lehre sind 186 Hochschulen beteiligt, aber nur 20 beantragten Mittel für forschendes Lernen – es gilt immer noch als „Orchidee“. Das KIT in Karlsruhe hat sich übrigens das Motto „Wir sind eine Forschungsuniversität“ gegeben – was eigentlich eine Tautologie ist, wie Ines Langemeyer vom KIT-Projekt „Lehre hoch Forschung“ einräumt. Auch die Karlsruher wissen, dass forschendes Lernen – da „nicht fremdbestimmt“ – die Zufriedenheit an den Unis erhöht. „Es weckt die Leidenschaft am Fachgebiet, es schafft Erfahrungsräume“, sagt Ines Langemeyer.