Seit Jahren gibt es Streit an einem Stuttgarter Lehrerseminar für Berufliche Schulen. Lange versuchten Kultusministerium und Regierungspräsidium zu moderieren – ohne Erfolg. Nun will Ministerin Susanne Eisenmann persönlich eingreifen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Zeitungsbericht las sich so, als stünde der Karrieresprung von Dieter K. faktisch fest. Stolz berichtete der Studiendirektor seinem Göppinger Heimatblatt, dass er am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) in Stuttgart zum kommissarischen Leiter des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften ernannt worden sei. „Ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe“, ließ er sich zitieren. Mit Stolz in der Stimme fügte er hinzu: „Die jungen Lehrkräfte nehmen das ein ganzes Berufsleben lang mit, was ich Ihnen lehren konnte.“

 

Der wenig rühmliche Hintergrund der Personalie wurde mit keinem Wort erwähnt. Vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hatte das Seminar, wie die StZ berichtete, wegen der Stellenbesetzung eine schwere Klatsche bekommen: K. sei dabei „unzulässig bevorzugt“ worden, monierten die Richter, bei der Auswahl einer Arbeitsprobe habe man gezielt sein Spezialgebiet gewählt. Das Gebot der Chancengleichheit sei damit verletzt, die Position müsse neu ausgeschrieben werden. Dass sie gleichwohl kommissarisch mit K. besetzt wurde, sei „kein Präjudiz“, hatte die Seminarleiterin Professor Veronika Gulde betont.

Selbstdarstellung als „unglücklich“ gerügt

Angesichts des blamablen Urteils wäre eine gewisse Zurückhaltung geboten gewesen. Rechtlich sei die Selbstdarstellung K.s zwar nicht zu beanstanden, bekundete das Kultusministerium von Susanne Eisenmann (CDU) gegenüber unserer Zeitung, vor dem Hintergrund der Gesamtsituation betrachte man das Vorgehen aber „als eher unglücklich“ – ein deutlicher Ausdruck des Missfallens der Ministerin. Er zeugt von einem neuen Umgang mit dem Lehrerseminar, an dem es seit Jahren schwere Turbulenzen gibt.

Gegen das VGH-Urteil hatte das Kultusministerium Gulde & Co. noch pflichtgemäß in Schutz genommen. Nun aber will Eisenmann offenbar nicht länger zusehen – zumal sie als Folge des StZ-Berichts weitere Klagen aus dem Kollegium erhielt. Bei vielen Verfahren werde so oder ähnlich getrickst, nur nicht ganz so plump, schrieben ihr Mitarbeiter anonym. Vom Bemühen um Gerechtigkeit, das man den angehenden Lehrern stets ans Herz lege, sei intern wenig zu spüren. Aus Sorge vor Repressionen traue sich niemand, die Missstände offen auszusprechen. Als ein Professor vor wenigen Jahren wagte, sich kritisch über den Führungsstil der Chefin zu äußern, wurde die ganze Maschinerie der Schulverwaltung gegen ihn in Gang gesetzt; es fehle am gebührenden Respekt. Per Anwalt musste er sich gegen die förmliche Disziplinierung wehren.

Misere mit „schlimmen Auswüchsen“

Die Führungsmisere am Seminar dauere nun schon Jahre und habe „schlimme Auswüchse“, schrieben weitere Mitarbeiter der StZ. Auf der Strecke blieben zahlreiche Kollegen mit „schwer beschädigten Lebensläufen“. Professoren fielen lange aus und gingen vorzeitig in den Ruhestand, Sekretärinnen würden krank oder ließen sich versetzen. „Wer kann, ergreift die Flucht.“ Auch eine Umfrage habe „eklatante Führungsdefizite“ dokumentiert. Regierungspräsidium und Ministerium bemühten sich seit Langem erfolglos um Moderation, aber nur eines hülfe wirklich: ein Austausch der Leitung.

Vom Kultusministerium werden die „Probleme der Personalführung“, gepaart mit „zwischenmenschlichen Unverträglichkeiten“, bemerkenswert offen bestätigt. Man wisse seit 2008, dass es an dem Seminar „fortlaufend Konflikte und Spannungen zwischen unterschiedlichen Beteiligten gab und gibt“, sagt eine Sprecherin; gerade sei ein neuer Fall ans Ressort herangetragen worden. Immer wieder habe man versucht, die Konflikte zu entschärfen; zuletzt sei ein „Supervisionsangebot“ des Regierungspräsidiums etabliert worden.

Fortbildung zu „Benimm und Stil“

Nun aber macht Eisenmann die Querelen zur Chefsache. Sie beabsichtige „in Kürze selbst Gespräche in dieser Angelegenheit zu führen“, ließ sie ausrichten. Ziel sei, „die Probleme dauerhaft zu lösen“, damit das Seminar endlich wieder unbelastet und sachgerecht arbeiten könne. Das dürfte neue Hoffnungen in der Belegschaft nähren, die Direktorin doch noch loszuwerden.

Deren Favorit für den Bereichsleiterposten hat nebenher noch Zeit, eine Fortbildungsakademie an der Kaufmännischen Schule Göppingen zu leiten. Geboten werden dort neben „Führungskräftetraining“ Seminare zu Rhetorik, Selbstmanagement und Motivation. Im Programm ist auch etwas, was das Kultusministerium offenkundig bei Dieter K. vermisste: „Benimm und Stil im beruflichen Alltag.“