Neue Schulformen erfordern eine neue Lehrerausbildung. Daran scheiden sich aber die Geister in der grün-roten Koalition. Nur eines zeichnet sich ab: der sogenannte Einheitslehrer wird wohl nicht kommen. Die Zeit für eine Reform drängt.

Stuttgart - Wieder einmal sind sich die Koalitionäre nicht besonders grün. Diesmal ist der Zankapfel die Reform der Lehrerbildung in Baden-Württemberg. Wie viel von den mit einem Paukenschlag angekündigten Empfehlungen des Expertenrats bleibt, ist völlig offen. Im Moment ist nur klar, es wird nicht so schnell gehen. Vor der Sommerpause werden Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und Kultusminister Andreas Stoch (SPD) wohl keinen Gesetzentwurf mehr vorlegen. Ursprünglich war das geplant, doch nun sind sich nicht nur Grüne und SPD uneins, auch innerhalb der Fraktionen gibt es widerstreitende Meinungen.

 

Die SPD bremst. Man brauche ein Eckpunktepapier, müsse sorgfältig und intensiv diskutieren, heißt es in einem Beschluss der Fraktion. Der ist so zurückhaltend, dass Sandra Boser, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, schon die ganze Reform in Gefahr sieht. „Selbstverständlich“, betont Boser, „machen die Reformen im Bildungswesen Veränderungen in der Lehrerbildung notwendig.“ Sie erinnert daran, Lehrer müssten auf die zunehmend heterogene Schülerschaft vorbereitet werden und ein hohes fachliches wie pädagogisch-didaktisches Niveau erreichen. Es möge Fragen nach dem Wie geben, das Ob einer Reform stehe für die Grünen allerdings außer Frage. Und die Zielrichtung müsse vor der Sommerpause geklärt werden.

Streitpunkte gibt es viele

Streitpunkte gibt es jede Menge. Da wäre die Umstellung des Studiums vom Staatsexamen auf die Bachelor- und Masterstruktur. Die Grünen betrachten die Umstellung als Kernelement der Reform. Ihre Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat früh Signale in diese Richtung ausgesandt. Doch die SPD stellt die Umstellung infrage, hat sich aber als Fraktion noch nicht festgelegt. Während der Fraktionschef Claus Schmiedel und Martin Rivoir vom Wissenschaftsausschuss zum Staatsexamen tendieren, hält etwa der parlamentarische Geschäftsführer Stefan Fulst-Blei mehr von Bachelor und Master. Der SPD-Kultusminister Andreas Stoch gibt sich diplomatisch. Für ihn sei die Frage des Abschlusses zweitrangig. Es komme nur darauf an, „wie wir durch eine hervorragende Lehrerbildung die richtig qualifizierten Lehrkräfte bekommen, um gute Bildung zu gewährleisten“.

Bei der Studiendauer geht es weiter. Bislang beträgt die Regelstudienzeit für Grundschullehrer sowie für das gemeinsame Lehramt an Haupt-, Werkreal- und Realschulen acht Semester, für angehende Gymnasiallehrer sind zehn Semester vorgesehen. Die Reform könnte eine Angleichung bringen. Die Grünen stehen „voll und ganz zu zehn Semestern“, sagt Kai Schmidt-Eisenlohr, ihr wissenschaftspolitischer Sprecher. Die SPD regt nun an, über acht Semester für die Sekundarstufe eins und zehn Semester für Lehrer an der gymnasialen Oberstufe nachzudenken.

Wie kommen PHs und Unis zusammen?

Damit distanziert sich die SPD erneut davon, ein einheitliches Lehramt von Klasse fünf bis 13 einzuführen, so wie es der Expertenrat empfohlen hat. Der Kultusminister hält es „heute für eher unwahrscheinlich, dass wir einen gemeinsamen Sekundarlehrer für die vollständigen Stufen eins und zwei haben werden“. Andreas Stoch geht davon aus, dass künftige Lehramtsstudenten Profile bilden werden. Zu klären wäre jedoch noch, „an welcher Stelle die Studiengänge gemeinsame Elemente haben werden und wo die Spezialisierung stattfindet“. Die Grünen fänden zwar ein gemeinsames Lehramt für die Sekundarstufen ideal, denn es mache Lehrer hochflexibel, doch es werde wohl einen Kompromiss geben, meint Schmidt-Eisenlohr.

Gänzlich offen ist, wie die von den Experten vorgeschlagene Zusammenarbeit der Pädagogischen Hochschulen (PH) und der Universitäten funktionieren soll. Bleibt es beim Staatsexamen, könnte dies Kooperationen erschweren. Käme die Bachelor-Master-Struktur, könnten Universitäten und Pädagogische Hochschulen gemeinsam die Masterstudiengänge ausrichten. Timo Leuders von der PH Freiburg gibt einen Einblick in die Diskussion in Freiburg. Dort sind wie in Heidelberg PH und Uni an einem Ort, was Kooperationen nahelegen würde. Die unterschiedlichsten Profile wären möglich, sagt Leuders: Studenten könnten sich nach einem fachwissenschaftlichen Bachelor in zwei Fächern weiter für die Oberstufe qualifizieren, sie könnten aber auch ein Fach auf Oberstufe und ein zweites auf Sekundarstufe eins studieren, oder sie könnten einen Schwerpunkt Sekundarstufe eins wählen und sich besonders mit Fachdidaktik und Pädagogik beschäftigen. Für den Erziehungswissenschaftler Leuders ist „jede Art von Konzeption, die nicht auf eine Schulform einschränkt, von Vorteil“. Gleichzeitig sagt der Prorektor für Forschung auch, „es geht nicht, in einem Studium für alles zu befähigen“.

Die Verzögerung der Reform könnte ins Geld gehen

Voraussetzungen für Kooperationen ist aber die politische Entscheidung. Die Verzögerung könnte ins Geld gehen. Der Bund stellt in seiner „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ 500 Millionen Euro bereit. Die erste Tranche beginnt 2014 und läuft bis 2018, die ersten Hochschulen müssen sich bis Ende des Jahres mit einem Konzept bewerben. Eile tut not, sagen die Grünen. Doch im Programm heißt es, Hochschulen könnten auch noch 2015 einsteigen. Allerdings müssen sie bis dahin ein Konzept haben.