An den 2500 Grundschulen in Baden-Württemberg sind die Lehrer knapp. Die Lage könnte sich noch verschärfen. Die Kultusministerin stellt jetzt kleine Schulen und den Fremdsprachenunterricht ab Klasse eins auf den Prüfstand.

Stuttgart - Schon jetzt können an den Grundschulen im Land nicht alle Lehrerstellen besetzt werden. Das kritisiert Doro Moritz, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Susanne Eisenmann, die CDU-Kultusministerin bestätigt das. „Die Versorgung der Grundschulen im kommenden Schuljahr stellt uns in der Tat vor große Herausforderungen“, sagt Eisenmann. Auch in den beiden darauffolgenden Schuljahren sieht Eisenmann „regional noch durchaus Engpässe“. Das liege an steigenden Schülerzahlen und „an der überproportionalen Pensionierungswelle in den nächsten drei bis vier Jahren“.

 

Im Umgang mit dem Problem sind Ministerium und Gewerkschaft naturgemäß unterschiedlicher Meinung. Die GEW fordert in erster Linie neue Stellen. Die Ministerin will die Ressourcen gezielter einsetzen. Eisenmann prüft aktuell, „ob es nicht sinnvoller wäre, mit dem Fremdsprachenunterricht erst ab Klasse drei zu beginnen, statt wie bislang in Klasse eins“.

Pädagogische Probleme an kleinen Schulen

Auch müsse man hinterfragen, wie man langfristig mit den sehr kleinen Schulstandorten umgehe. Aus pädagogischer und aus finanzieller Sicht seien Kleinststandorte auf Dauer nicht vernünftig. Erkrankte Lehrer könnten dort oft nicht vertreten werden. Eisenmann bietet Kommunen an, sie bei der Bündelung von Standorten zu beraten. Das pädagogische Problem der Kleinstgrundschulen sieht auch die GEW-Chefin Doro Moritz. Allerdings wehrt sie sich dagegen „aus Ressourcengründen das Beil anzulegen“.

Die GEW hat den Bildungsforscher Klaus Klemm mit einer Bedarfsanalyse für die Grundschulen im Land bis zum Jahr 2030 beauftragt. Klemm geht davon aus, dass die Schülerzahlen bis dahin um 44 600 steigen. Im gleichen Zeitraum werden Klemm zufolge etwa die Hälfte der jetzt an Grundschulen aktiven Pädagogen pensioniert. Der Bedarf an Lehrern steigt außerdem, weil die Unterrichtszeit an den baden-württembergischen Grundschulen schrittweise erhöht wird.

Klemm kalkuliert zudem ein, dass bis zum Jahr 2030 jede zweite Grundschule Ganztagsbetrieb anbieten werde. Einige weitere Reformen und Vertretungsstellen für Krankheitsfälle eingerechnet, muss das Kultusministerium Klemm zufolge bis zum Jahr 2030 insgesamt rund 8000 Stellen zusätzlich anbieten. Wegen der zahlreichen Pensionäre und vieler Teilzeitstellen schätzt die GEW, dass in den nächsten 13 Jahren 19 000 neue Grundschullehrkräfte gebraucht werden.

Zu wenige Studienplätze

Doch im Land werden viel zu wenig Grundschullehrer ausgebildet, bedauert Moritz. Wenn die Studierendenzahlen gleich bleiben, wäre nur mit 10 500 Berufseinsteigern zu rechnen. „Wir bräuchten jährlich 1440 Studienanfänger“, rechnet Moritz vor. Im Wintersemester 15/16 zählten die Pädagogischen Hochschulen im Land 994 Anfänger im Studiengang Grundschullehramt. Von den Anfängern kommen nur 70 Prozent auch am Arbeitsplatz Klassenzimmer an.

Moritz fordert die Landesregierung auf, zusätzliche Studienplätze für das Grundschullehramt zu schaffen. „Es ist indiskutabel, dass in dieser Situation ein Numerus clausus von besser als 2,0 besteht“, sagte die GEW-Vorsitzende. An allen Pädagogischen Hochschulen müssten die Aspiranten für das Grundschullehramt einen um eine Note besseren Abiturschnitt vorweisen als ihre Kollegen, die Haupt- oder Realschullehrer werden wollen.

Gehälter und Studienzeiten erhöhen

Gleichzeitig will Moritz die Attraktivität des Arbeitsplatzes Grundschule erhöhen. Zurzeit verdienen Grundschullehrer mit ihrer Besoldungsgruppe A12 etwa 400 Euro im Monat weniger als ihre Kollegen der anderen Schularten, die nach A13 besoldet werden. Ihr Studium sollte aufgewertet und von acht auf zehn Semester erhöht werden, verlangt Moritz. Das Kultusministerium sollte darauf verzichten, Lehrerstellen zu streichen.

Ministerin Eisenmann kündigt für den Sommer ein Konzept zur Lehrergewinnung an, das besonders den Grundschulen zugute kommen solle. Sie betont, die Pensionierungswelle übersteige nur in den nächsten drei, vier Jahren die Zahl der zu erwartenden Bewerber.

Die SPD im Landtag pflichtet der GEW vollinhaltlich bei. Ihr Bildungsexperte Daniel Born verweist auf andere Bundesländer, die Grundschullehrer künftig nach A13 bezahlen wollen. Sandra Boser (Grüne) will mehr Lehramtsstudenten tatsächlich in die Schule bringen. Man müsse die Arbeitsbedingungen verbessern und um mehr gesellschaftliche Anerkennung für den Beruf werben.