Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg streicht nur wenige Lehrerstellen. Im kommenden Jahr fällt keine einzige Stelle weg, in 2016 sind es nur 400. Geplant war ursprünglich für 2015 der Wegfall von 1800 Stellen, in 2016 sollten 1770 gestrichen werden.

Stuttgart - Den dicksten Ärger handelte sich Grün-Rot alsbald nach der Arbeitsaufnahme im Jahr 2011 ein. Da verkündete Ministerpräsident Winfried Kretschmann den – wie sich schnell zeigen sollte, riskanten – Plan, bis zum Jahr 2020 exakt 11 600 Lehrerstellen abzubauen. Doch diese unter dem Stichwort „demografische Rendite“ geführte Absicht erwies sich zumindest in der Öffentlichkeitswirkung als Rohrkrepierer. Was den eisernen Sparwillen der grün-roten Koalition beweisen sollte und in der Sache auch gerechtfertigt erschien, trieb die Lehrerlobbyisten auf sämtliche in der Landeshauptstadt noch vorhandenen Bäume, irritierte die Öffentlichkeit und entwickelte sich zum Dauergaudium der Opposition. Darf bei der Bildung gespart werden? Nein, das dürfe nicht sein, erscholl rundum der Ruf. Wobei geflissentlich übersehen wurde, dass doch lediglich die Hälfte der rechnerisch durch den prognostizierten Schülerrückgang frei werdenden Lehrerdeputate in den Landesetat zurückfließen sollte.

 

Lange blieb Grün-Rot standhaft. Doch stieg die Nervosität, nachdem Umfragen den Verlust der Regierungsmehrheit signalisierten. Den willkommenen Anlass für den Ausstieg aus dem Sparbeschluss gab dann die im Sommer vorgestellte neue Prognose des Statistischen Landesamts zur Entwicklung der Schülerzahlen. Demnach werden in den Klassenzimmern in sechs Jahren 84 000 Schüler mehr sitzen als erwartet, insgesamt noch 976 400. Zwar gibt es einen Schülerrückgang, doch der beträgt nur sechs Prozent. Vorhergesagt worden waren 20 Prozent.

2015 wird netto keine einzige Stellen gestrichen

Am Montag hat die grün-rote Haushaltskommission aus dem Zahlendebakel die Konsequenzen gezogen: Im kommenden Jahr wird netto keine einzige Stelle gestrichen. Geplant war ursprünglich ein Abbau von 1800 Stellen. 2016 fallen zwar 400 Stellen weg. Vorgesehen war jedoch eine Kürzung von 1770 Deputaten. Diese Zahlen verkündete Finanzminister Nils Schmid (SPD) am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Schmid versicherte, dass das Land 2016 dennoch auf neue Schulden verzichten werden. „Die Netto null steht.“ Laut Schmid sollen die Deputate, die nun doch erhalten bleiben, in den Ausbau der Ganztagsschulen sowie in die Integration von behinderten Schülern umgeleitet werden. Und Zahlen über Lehrerstellenabbau will er künftig nur noch Jahr für Jahr verkünden. Lieber verzichtet er auf große Planungsentwürfe.

Die Regierungsfraktionen wollen bei ihren Klausurtreffen über den neuen Kurs entscheiden. Die Sozialdemokraten signalisierten bereits Zustimmung, und auch Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann äußerte sich wohlwollend. Sie sprach sich auch für eine Neujustierung der Zuweisung von Lehrerstellen aus. Statt der bisher üblichen Zuweisung von Lehrerstellen nach Klassen sollen künftig die Lehrerstellen pro Schüler errechnet werden. Dass sich Kultusminister Andreas Stoch mit dem Kurswechsel einverstanden erklärt, liegt auf der Hand. „Jetzt haben wir eine sehr gute Ausgangsposition, um das Schulsystem auf die Herausforderungen der Zeit vorzubereiten“, sagte der SPD-Politiker.

Finanzierung durch Überschüsse und mehr Einnahmen

Für den Doppelhaushalt 2015/2016, der derzeit beraten wird, veranschlagt die Landesregierung Einsparungen in Höhe von 400 Millionen Euro im Jahr 2015 und 600 Millionen Euro im Jahr darauf. Zugleich aber präsentierte Finanzminister Schmid am Dienstag ein Investitionspaket in Höhe von 730 Millionen Euro. Es reiche nicht aus, vom Status quo zu leben, sagte er. Allein der Erhalt der Infrastruktur sei schon eine große Aufgabe. „Wollen wir aber auch in Zukunft weiter vorne mitmischen, ist mehr nötig.“ Zusätzliches Geld soll in die Schulen (zum Beispiel frühkindliche Bildung) und Hochschulen (Bauprogramm), aber auch in den Ausbau der Infrastruktur, die Ausstattung der Polizei oder in den Hochwasserschutz fließen. Die Finanzierung schöpft der Finanzminister aus den Überschüssen der Vorjahren und den Steuermehreinnahmen.

Die Finanzlage des Landes stellt sich so positiv dar, dass Regierungschef Kretschmann Überlegungen des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) zurückwies, die Schuldenbremse für die Länder abzumildern. Schäuble hatte vorgeschlagen, dass die Länder auch über das Jahr 2020 hinaus in gewissem Umfang Kredite aufnehmen könnten. Kretschmann sagte, das Schuldenverbot sei einst im Konsens beschlossen worden. „Dabei sollte es bleiben – so, wie es in der Verfassung steht.“