Von seit längerem ansteigenden Lehrlingszahlen profitieren die kleinen Betriebe kaum. Sie müssen künftige Lehrlinge im direkten Gespräch von sich und ihren Berufen überzeugen, findet Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Die Zahlen sind alarmierend: Zwei von drei Betrieben im baden-württembergischen Nahrungsmittelhandwerk können ihre Lehrstellen nicht mehr besetzen. Die Lage stellt sich noch dramatischer dar, bei der Aussicht, dass in den kommenden zehn Jahren mindestens 20 000 Handwerksbetriebe mit der Nachfolgefrage konfrontiert sind. Findet sich ein neuer Meister, der den Betrieb nach dem altersbedingten Ausscheiden des bisherigen Chefs weiterführt? Falls nicht, werden noch mehr Bäckereien, Konditoren und Metzgereien sterben. Allerdings keineswegs, weil sie im Wettbewerb mit den großen Handelsketten nicht Schritt halten, sondern an akutem Nachwuchsmangel.

 

Von seit längerem ansteigenden Lehrlingszahlen profitieren die kleinen Betriebe, zu denen die bereits erwähnten Handwerker, aber auch viele Gastronomen zählen, leider am allerwenigsten. Hier liegt die Krux im eigentlich funktionierenden Ausbildungswesen: Während Industriekonzerne und Mittelständler mit ihren Namen werben und immer noch ein Vielfaches an Bewerbungen auf jede ausgeschriebene Stelle erhalten, inseriert der kleinen Handwerker um die Ecke immer öfter vergebens. Er kann auch nicht mit attraktiven Arbeitszeitmodellen punkten: Der Bäcker muss nun einmal früh aufstehen.

Der Handwerker kann am besten zeigen, was er tut

Die einzige Chance des Kleinunternehmers – doch diese kann in ihrer Wirkung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – ist seine persönliche Nähe. Damit ist ausdrücklich mehr gemeint, als ein Zettel mit der Aufschrift „Azubis gesucht“ an der Ladentür. Dem Handwerker kommt es dabei gelegen, dass er mit den eigenen Händen etwas Vorzeigbares schafft. Das kann er zeigen – und darüber reden. Die Kammern verweisen zurecht auf Erfolge bundesweiter Imagekampagnen. Selbst Abiturienten sehen dort zunehmend Karriereperspektiven. Doch gerade sie wollen überzeugt werden. Ein Ausbildungsbetrieb mit freien Lehrstellen muss den direkten Kontakt zu potenziellem Nachwuchs dort suchen, wo er ihn antrifft: an den Schulen, auf der Straße oder im Internet.