Seit Jahrzehnten ist Berthold Leibinger CDU-Mitglied. Nun aber wirbt der Trumpf-Seniorchef für die FDP: seine Partei brauche bei der Wahl 2016 ein „Korrektiv“. Frühere Wahltipps von Vater und Tochter Leibinger halfen indes nur bedingt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Auf vier Besucher ihres Dreikönigstreffens dürfte sich die FDP diesmal besonders freuen. Drei davon sind die Sternsinger, die eigentlich immer ins Opernhaus kamen – bis auf das vorige Jahr. Da hatte der zuständige Pfarrer sie erst gar nicht losgeschickt, weil er annahm, das Traditionstreffen falle 2014 aus. Der Grund des Irrtums: die Partei hatte lange mit dem Theater gefeilscht, ob und zu welchen Konditionen sie das Große Haus weiter nutzen dürfe. Diesmal ist der Pfarrer im Bilde, mit dem Auftritt von Caspar, Melchior und Balthasar sollte nichts mehr schiefgehen.

 

Fast noch wichtiger aber ist für die Liberalen ein Besucher, der zum ersten Mal kommt: Berthold Leibinger, der Seniorchef des Ditzinger Werkzeugmaschinenbauers Trumpf. Selbst seit Jahrzehnten CDU-Mitglied, macht er der FDP ganz gezielt seine Aufwartung. Seine Partei brauche „ein Korrektiv“ und nach der Landtagswahl 2016 „einen liberalen Partner“, verkündete Leibinger via „Südwest Presse“. Den sehe er am ehesten in den „geläuterten“ Freidemokraten, bei denen „die Maximen Eigenverantwortung, Wettbewerb, Marktwirtschaft, Subsidiarität gewissermaßen in den Genen verankert“ seien. So sähen das auch viele Gesprächspartner aus der Wirtschaft, berichtete der 84-Jährige dem Blatt, so werde er es fortan auch öffentlich vertreten.

FDP-Chef ist begeistert, die CDU weniger

Der FDP-Landeschef Michael Theurer konnte sein Glück kaum fassen. Dass sich die „Familienunternehmer-Legende“ Leibinger zu den Liberalen bekenne, noch dazu als CDU-Mitglied, sei ein „ganz, ganz wichtiges Signal“. Mit seiner hohen Glaubwürdigkeit in Managerkreisen, aber auch bei den Arbeitnehmern sei er ein idealer Fürsprecher der Partei. Verhaltener war hingegen die Begeisterung bei der CDU, die eigentlich stets predigt, die FDP müsse aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen. „Mir gäbet nix“, lautet gut schwäbisch die Parole, wenn es um Leihstimmen geht.

„Selbstverständlich steht es unseren Parteimitgliedern frei zu sagen, dass es die FDP braucht“, sagte der Sprecher des Landesverbands auf Anfrage. Ärger mit der CDU werde Leibinger – scherzhaft hatte er sogar das Stichwort Ausschlussverfahren genannt – deshalb nicht bekommen. „Absurd“ sei der Gedanke, dass dessen Äußerungen als parteischädigend gewertet werden könnten, betonte der Sprecher unter Verweis auf die Satzung. Die meisten der sechs dort genannten Gründe – unter anderem eine Parallelmitgliedschaft in einer anderen Partei oder eine Kandidatur gegen einen CDU-Bewerber – treffen auf den Trumpf-Seniorchef fraglos nicht zu. Bei Punkt 4 aber muss er aufpassen: Die Partei schädigt demnach, wer „in Versammlungen politischer Gegner  . . . gegen die erklärte Politik der Union Stellung nimmt“.

Wahlhilfe schon für Turner und Mappus

Gerade angesichts der aktuellen Äußerungen freue man sich, dass Berthold Leibinger „seit Jahrzehnten mit Überzeugung Mitglied . . .ist“, heißt es bei der Landes-CDU. „Wir schätzen seinen Rat sehr.“ In den letzten Jahren fruchteten die Wahlempfehlungen der Familie Leibinger indes nur bedingt. Bei der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart hatte sich der Senior, von Erwin Teufel einst zum Ehrenprofessor geadelt, lobend über den parteilosen CDU-Kandidaten Sebastian Turner geäußert. Es sei zu begrüßen, „dass jemand aus der Wirtschaft sich für das Amt des OB interessiert“. Turner verlor bekanntlich knapp, ebenso wie im Jahr zuvor Stefan Mappus bei der Landtagswahl – trotz kräftiger Unterstützung der Leibinger-Tochter und Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. „Leidenschaftlich“ hatte die Unternehmenschefin – wie der Papa CDU-Mitglied und bestens vernetzt bis hinauf zur Kanzlerin – für den Ministerpräsidenten gekämpft, nebst anderen Wirtschaftsgrößen schaltete sie kurz vor der Wahl 2011 noch Anzeigen mit dem Aufruf: „Ja zu Stefan Mappus und der CDU“. Selbst die Verstaatlichung des Energiekonzerns EnBW verteidigte die 55-Jährige im Interview noch: „Ja, warum nicht?“

Für den Grünen-Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann fanden die Leibingers damals nur eingeschränkt freundliche Worte. Der sei „ein braver Mann“, meinte der Senior gönnerhaft, aber für Teile seines Fußvolks sei die Wirtschaft eine „terra incognita“, ein fremdes Feld. Ganz ähnlich äußerte sich die Tochter, die die Grünen einmal „einfach nur schrecklich“ genannt haben soll: Kretschmann sei „sicher ein sympathischer Mann, aber man muss ihn vermutlich einbinden“, sagte sie in einem Interview kurz vor der Wahl. Sorgen, dass er Ministerpräsident werde, müsse man sich indes nicht machen: „Wir Schwaben sind klug genug, um unsere bewährte Regierung wiederzuwählen.“

Verhältnis zu Kretschmann etwas entkrampft

Es kam bekanntlich anders, auch wegen der schwächelnden FDP. Und der Grüne schien die Vorbehalte zunächst zu bestätigen – etwa mit seiner Äußerung, weniger Autos seien besser als mehr. Ein Besuch Kretschmanns bei Trumpf in Ditzingen trug später dazu bei, die Atmosphäre etwas zu entkrampfen. Inzwischen versucht der Ministerpräsident sogar, als „Wirtschaftsversteher“ zu punkten. Doch die Sehnsucht nach einer schwarz-gelben Landesregierung hat das bei den Leibingers offenbar nicht versiegen lassen.

Seinen Besuch bei der FDP, für den er vorzeitig aus dem Schweiz-Urlaub zurückkehrt, hat der Senior übrigens nur unter einen einzigen Vorbehalt gestellt: Bei einem 84-Jährigen wie ihm gelte immer das Kürzel „sGw – so Gott will“.