Artemis Alexiadou hat den Leibniz-Preis gewonnen. Die Wissenschaftlerin sucht in vielen Sprachen nach Mustern und Doppeldeutigkeiten.

Stuttgart - Mit diesem Anruf hatte Artemis Alexiadou nicht gerechnet: Während ihrer Sprechstunde erfuhr die Leiterin der Anglistik-Abteilung am Institut für Linguistik der Uni Stuttgart, dass sie den Leibniz-Preis erhält – und 2,5 Millionen Euro, die sie für ihre eigenen Forschungszwecke ausgeben darf. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft rühmt Alexiadou für ihre herausragenden Verdienste um die Erforschung des menschlichen Sprachverständnisses. Alexiadou ist eine von elf Preisträgern. Fünf kommen insgesamt aus Baden-Württemberg.

 

„Ich konnte gar nichts mehr sagen“, berichtet Alexiadou. Dabei hat die gebürtige Griechin schon immer ein etwas schnelleres Tempo vorgelegt als die meisten anderen. Bereits vor zwölf Jahren, mit 32 Jahren, wurde sie als Professorin für Theoretische und Englische Linguistik und damit als jüngste Professorin an die Uni Stuttgart berufen. An der technisch orientierten Hochschule dürfte sie als Frau mit Migrationshintergrund und geisteswissenschaftlichem Profil keinen einfachen Stand gehabt haben. Das wird sich nun mit dem weltweit höchstdotierten Forschungspreis sicherlich ändern.

Brücken bauen zwischen den Disziplinen

Der Ruhm strahlt natürlich auch auf die Uni Stuttgart ab, wo die Sprachwissenschaftlerin als interdisziplinäre Netzwerkerin arbeitet. Dabei versteht sie sich als Brückenbauerin zwischen Ingenieuren und Geisteswissenschaftlern – und den Preis als Anerkennung für ihr Team. „Als ich hier angefangen hatte, war das ein sehr angespanntes Verhältnis.“ Für diesen „Weitblick“ dankt der frisch gebackenen Preisträgerin auch der Unirektor Wolfram Ressel. Und: „Frau Alexiadou hat mit ihrem Team die anglistische Linguistik zu internationalem Renommee geführt.“

Insbesondere durch die fachübergreifende Zusammenarbeit im Sonderforschungsbereich (SFB) habe sich dieses Klima verbessert, berichtet Alexiadou, die ihn betreut. Sie betrachtet gerade die Zusammenarbeit mit den Informatikern bei der Maschinellen Sprachverarbeitung als herausfordernd, aber auch als erfolgreich. In dem SFB beschäftigen sich rund 50 Wissenschaftler mit Mehrdeutigkeiten in der Sprache. Dabei geht es auch darum, wie fehlende Informationen in einem Satz ergänzt oder interpretiert werden und wie man diese Prozesse für Computer-Sprachprogramme modellieren kann.

Neue Ideen, wie Sprache funktioniert

Im kommenden Jahr läuft die zweite Phase des SFB aus, derzeit arbeiten Alexiadou und ihre Kollegen mit Hochdruck am Antrag für eine weitere Verlängerung. Wer wollte einer Leibniz-Preisträgerin diesen Zuschlag verweigern? So könnte es also gut sein, dass die Linguistin die 2,5 Millionen Euro in ein eigenes Forschungszentrum stecken kann, auch wenn sie noch kein Konzept dafür ausgearbeitet hat. Dort aber könnte sie ihr eigentliches Forschungsvorhaben vorantreiben: nämlich das, wofür sie ausgezeichnet wurde.

Sie beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Eigenschaften von Nomina und Verben und entwickelt Modelle für linguistische Strukturen. Besonderen Eindruck machte sie auf die Deutsche Forschungsgemeinschaft durch ihre Erkenntnisse über die Syntax zahlreicher Einzelsprachen. Dort lobte man, dass sie „Muster und Netzwerke von Phänomenen“ entdeckte, die zu neuen Ideen über das Funktionieren von Sprache beitrugen“.

Was hält die Linguistin in Stuttgart? Nach dem Studium in Athen, Promotion und Habilitation in Potsdam, Aufenthalten als Heisenberg-Stipendiatin auch am MIT und an der Princeton-University sowie als Gastprofessorin in Stanford betrachtet sie die Schwabenhauptstadt weiterhin als Herausforderung. „Aber die Voraussetzungen, die wir hier geschaffen haben, sind gut.“ So gut, dass sie andere Angebote abgelehnt habe. Nicht zuletzt schwärmt Alexiadou für das Stuttgarter Ballett. Ihre anfängliche Begeisterung für den VfB hat sich hingegen gelegt. Ihr Favorit heißt jetzt Liverpool.