Vor 30 Jahren hat Harald Schmid bei der Leichtathletik-WM in Rom Bronze über 400 Meter Hürden geholt. Seither hat sich vieles verändert – nicht nur zum Positiven, findet er.

London - Vor 30 Jahren hat Harald Schmid bei den Weltmeisterschaften in Rom über 400 Meter Hürden, wo an diesen Mittwoch bei der WM in London die Entscheidung fällt, in einem legendären Rennen Bronze gewonnen. Seither hat sich viel verändert – nicht nur zum Positiven, wie der 59-Jährige findet.

 
Herr Schmid, kennen Sie alle Namen der Teilnehmer des 400-Meter-Hürden-Finals bei der WM in London?
Oh je, nein. Ich kenne mich in der Szene nicht mehr so aus. Das liegt auch an dem schnellen Rhythmus, den die Leichtathletik inzwischen eingeführt hat, mit einer Welt- oder Europameisterschaft in jedem Jahr. Da kommen ständig neue Leute.
Sie interessieren sich aber schon noch für die Leichtathletik?
Übers Jahr hinweg werfe ich schon mal einen Blick in die Ergebnislisten der Deutschen Meisterschaften an. Und bei der WM sitze ich hin und wieder vor dem Fernseher.
Klingt nicht sehr euphorisch. Hat sich die Leichtathletik sehr verändert seit Ihrer Zeit?
Was sich beruhigenderweise nicht verändert hat, ist, dass man immer noch laufen, springen und werfen muss. Aber in der Vermarktung hat sich eine ganze Menge getan. Das ist auch dem Zeitgeist geschuldet. Das muss nichts Schlechtes sein, denn sonst gäbe es den Sport vielleicht gar nicht mehr.
Wie beurteilen Sie die Bemühungen, die Attraktivität der Leichtathletik zu steigern?
Es wird zunehmend versucht, die Leichtathletik auch in die Stadt hineinzutragen, mit Wettkämpfen auf Marktplätzen oder Ähnlichem. Ob das der richtige Weg ist? Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich zu zu sehr Traditionalist, aber ich sage: Die Leichtathletik gehört vor allem ins Stadion. Ich glaube nicht, dass man eine Sportart mit irgendwelchen Gimmicks und Klamaukwettbewerben zwanghaft modern machen muss.
Aber sind solche Veränderung nicht zwingend, um neben dem Fußball überhaupt noch wahrgenommen zu werden?
Es geht nicht um den Fußball. Seine Entwicklung wird von der Gesellschaft getragen. Wenn sich Fans Trikots kaufen und Bezahlfernsehen leisten, das Ganze also dadurch finanziert wird, dann will das die Gesellschaft so. Da darf man nicht jammern und sagen: der Fußball macht alles platt. Es geht darum, die Kultur der Leichtathletik so präsent zu machen, dass sich möglichst viele Menschen angesprochen fühlen.
Wüssten Sie, wie das gelingen könnte?
Ich bin glücklicherweise nicht Marketing-Chef des DLV. Aber ich stelle fest, dass sich die Leichtathletik in Deutschland von ihrem Kern immer weiter entfernt. Sie kommen aus Stuttgart und wissen auch, dass es dort kein WM-fähiges Leichtathletikstadion mehr gibt. So geht es den meisten anderen Großstädten in Deutschland auch, in denen ich früher gelaufen bin. Deshalb ist es für den Verband so schwierig, sich angemessen präsentieren zu können.
Wie groß ist Ihre Wehmut? Früher kam viel mehr Leichtathletik im Fernsehen, Sie waren einer der großen Sportstars in Deutschland.
Wehmut gibt es keine, es hat nun einmal alles seine Zeit. Und als Star habe ich mich nicht empfunden, auch wenn mein Bekanntheitsgrad damals tatsächlich ziemlich groß war. Schauen Sie: meine Disziplin, die 400 Meter Hürden, das ist ein knüppelharter Wettbewerb. Wenn man Körper und Geist nicht zusammenhält, hat man keine Chance. Das wissen auch die Topleute heute, nicht nur in der Leichtathletik. Das bedeutet: wenn man den ganzen Starrummel mitmacht und auf jeder Hochzeit tanzt, läuft man nächstes Mal garantiert als Letzter ins Ziel. Entsprechend habe ich gelebt.