Wer kommt durch bis Rio de Janeiro? Bei der Olympia-Qualifikation in Götzis litten die deutschen Zehnkämpfer mal wieder.

Götzis - Arthur Abele tat dieses Mal nur die Seele weh. Dem leidgeprüften Zehnkämpfer, den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mal als „Schmerzensmann der deutschen Leichtathletik“ beschrieben hat, standen am Samstag beim Traditionsmeeting in Götzis die Tränen in den Augen: Drei ungültige Versuche im Kugelstoßen - wie kann denn das passieren? „Keine Ahnung. Meine beste Disziplin - und ich habe versagt“, sagte Abele.

 

Nach seiner Olympia-Teilnahme 2008 hatte der Ulmer wegen vieler Verletzungen fast fünf Jahre lang keinen Zehnkampf bestreiten können. 2014 kehrte er als EM-Fünfter zurück, 2015 riss seine Achillessehne. Jetzt war er wieder „in Topform“, wollte in Österreich unbedingt das Olympia-Ticket für Rio de Janeiro lösen.

Ähnlich wie Rico Freimuth, den zuletzt ein Muskelfaserriss in der Wade und seit Monaten Schulterbeschwerden plagen. Und ähnlich wie Jan Felix Knobel vom Königsteiner LV bei seinem Comeback ebenfalls nach vielen Blessuren. Beide traten dreimal über beim Weitsprung - das Aus. „Ich hatte einfach kein Gefühl, ich war ja fünf Wochen nicht auf der Bahn“, sagte der WM-Dritte Freimuth.

Nur wenige haben das Talent zum Zehnkampf

„Er hat nicht die Belastungsverträglichkeit trainieren können“, erklärte Bundestrainer Rainer Pottel. Der sperrige Begriff ist das Entscheidende bei den „Königen der Athleten“: zehn Disziplinen an zwei Tagen, das ganze aufwendige Training. Nur wenige haben das Talent für die vielseitigste aller Sportarten. Noch weniger die Voraussetzungen, das physisch auf Dauer durchzustehen.

„Gesund zu bleiben - das ist das Schwierigste überhaupt“, sagte Claus Marek. Er ist seit 1988 in verantwortlicher Funktion beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) tätig, derzeit als Teammanager Mehrkampf. Marek hat viele Asse kommen und gehen sehen - und leiden.

In den Neunzigerjahren sei es oft nur gelungen, Athleten für zwei Jahre in der Weltklasse zu halten. Paul Meier zum Beispiel, der Olympia-Sechste von 1992 und WM-Dritte von 1993. Und noch exemplarischer: Frank Busemann. Der Publikumsliebling gewann bei Olympia 1996 in Atlanta sensationell Silber, ein Jahr später bei der WM noch Bronze. Danach folgten Verletzungen über Verletzungen. Busemann hatte die Begabung, Bewegungsabläufe so schnell wie kaum ein anderer zu erlernen. Seinem Körper aber war das alles zuviel.

Im Winter jeden Tag den Kopf im Meer

Michael Schrader galt als große Olympia-Hoffnung des DLV für Rio de Janeiro. Im Januar erlitt er beim Stabhochspringen einen Trainingsunfall. Totalschaden im Knie. „Die Patellasehne ist gerissen, das Kreuzband und alles mögliche andere“, sagte der WM-Zweite von 2013.

„Arthur Abele ist einer wie früher Busemann. Der geht über die Schmerzgrenze hinaus“, sagte Marek. Bei Busemann habe sich das gerächt, auch wenn der sich heute beim Marathon quält. Freimuth war für Marek eigentlich immer einer, der die ganzen Belastungen gut wegsteckt. Jetzt muss sich der Hallenser bis Ende Juni in Schuss bringen, um bei der letzten Olympia-Qualifikation in Ratingen doch noch durchzukommen.

Einer, der es schaffte, in den 90ern zweimal bei Olympischen Spielen zu starten und sich - ohne internationale Medaillen - jahrelang in der Weltklasse zu halten, ist Frank Müller. Das „Nordlicht“ war allerdings dafür bekannt, dass er selbst im Winter jeden Tag den Kopf ins Meer steckte. Und während der Saison war er nur barfuß anzutreffen. Als Vorbild taugt Müller nicht mehr so recht: In Götzis erlebte er das unrühmliche Aus von Abele und Freimuth von der Betreuerbank aus - in Flip-Flops.