WM-Silber für den Zehnkämpfer Michael Schrader. Nach zahlreichen Verletzungen wird der 26-Jährige bei der Weltmeisterschaft in Moskau Zweiter hinter Weltrekordler Ashton Eaton.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Moskau - Dann endlich ertönt die Glocke. Es ist kurz vor 21 Uhr in Moskau, als Michael Schrader den Ton hört. Noch 400 Meter sind es in diesem Moment, 1100 Meter liegen hinter ihm. Und neun Disziplinen. Die letzte Runde, es ist eine Ehrenrunde. Genießen kann er sie am Ende des bestens Zehnkampfs seines Lebens nicht. Er beißt. Er kämpft.

 

Als der 26-Jährige ins Ziel kommt, ist er Vizeweltmeister. Er hat mit 8670 Punkten eine neue Bestleistung aufgestellt, nur der Weltrekordler Ashton Eaton liegt mit 8809 Punkten vor ihm. Und Michael Schrader liegt jetzt erstmal am Boden, während Rico Freimuth (Siebter/8382) und Pascal Behrenbruch (Elfter/8316) ihren Kollegen zu WM-Silber beglückwünschen, zur ersten WM-Medaille für einen deutschen Zehnkämpfer seit Frank Busemann vor 16 Jahren. Es sind nicht die großen Emotionen, noch nicht, zu zehrend waren diese Tage für ihn und all die anderen, für diese Könige der Athleten, die nach kurzer Pause vor erstaunlich vielen freien Rängen jubeln. „Ich wusste immer, wenn ich gesund bin, kann ich Großes leisten“, sagt Schrader, der dem deutschen Team damit den erhofften Traumstart bescherte.

„Das hat er weiß Gott verdient“

Es war ein Sieg über seinen Körper, über die Schmerzen. Es war und ist Schraders elfte Disziplin, der Kampf gegen sich selbst, vielleicht ist es die härteste von allen.

Im Mai 2009 gewann er das Meeting in Götzis mit 8522 Punkten, er war eingeplant für die WM in Berlin. Und dann? Dann begann, unterbrochen vom nationalen Titel 2010, das Martyrium, das erst hier in Moskau endete. Er zog sich 2009 einen Ermüdungsbruch zu, der ihn die WM kostete, seitdem hatte er fast durchweg Verletzungsprobleme. Zweieinhalb lange Jahre beendete er keinen Zehnkampf. Karriereende? „Das stand für mich nie zur Diskussion.“ Er kämpfte immer weiter, gegen sich, gegen diesen schmerzenden rechten Fuß.

Er unterzog sich dann Ende 2012 einer Behandlung bei Bayern-Doc Müller-Wohlfahrt. Es wurde besser. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf“, sagte Schrader damals, der in Halle/Saale lebt. Dort bewohnt er mit Trainingspartner Rico Freimuth eine WG. Und es ging aufwärts, als der Schmerz ging. In Ulm feierte Schrader im Mai mit 8427 Punkten ein Comeback. Er fuhr nun nicht ohne Ambitionen nach Moskau, er wusste, was in ihm steckt, dass er das Potenzial für große Dinge hat, aber eine Medaille, so forsch wollte er nicht sein. „Es ist mein erstes Jahr nach einer langen Verletzung, da steht die Gesundheit an erster Stelle.“

Nun steht er an zweiter Stelle. Michael Schrader, Vizeweltmeister. Ein kleines Märchen des Zehnkampfs. „Der Micha holt eine Medaille. Der ist viel zu cool, viel zu abgebrüht und viel zu ehrgeizig“, sagte Kumpel und Mitbewohner Freimuth schon am Samstag. „Das hat er weiß Gott verdient.“