Nicht nur die Stadt führt erhebliche Bedenken gegen das in Oberaichen geplante Zwischenlager für Erdaushub an. Anrainer und die BGO verteilen vorformulierte Einspruchsschreiben. Unter den Feldern liegt eine zentrale Wasserleitung.

Oberaichen - Gegen das von der Bahn im Rahmen des Bauprojektes Stuttgart 21 in Oberaichen geplante Zwischenlager für Erdaushub regt sich großer Widerstand. Die Verwaltungsspitze von L.-E. hält das Lager an dieser Stelle für völlig falsch. Bürgermeisterin Eva Noller sagt: „Es darf dort nicht planfestgestellt werden.“

 

Lärm, Staub, Dreck und deutlich mehr Verkehr: Die Stadt befürchtet erhebliche Folgen für die Menschen, die in Oberaichen leben. „Suchen Sie bitte nach einer geeigneten Fläche nördlich der Autobahn“, fordert die Stadt die Bahn in ihrer Stellungnahme auf. Schließlich befindet sich die Baustelle ja auch auf Stuttgarter Gemarkung, begründet Noller dies gegenüber unserer Zeitung. Das Schreiben hat die Stadt bereits an das Regierungspräsidium (RP) versandt.

Zur gleichen Zeit machen Anrainer und die Bürgergemeinschaft Oberaichen (BGO) mobil gegen das bis zu 3,8 Hektar große Zwischenlager. Sie wollen verhindern, dass über Jahre hinweg Lastwagen durch ihren Ort rollen, um Erde, die an der Rohrer Kurve abgetragen wurde, auf den Feldern oberhalb der Achalmstraße, des Bussenwegs und des Viehwegs zwischenzulagern. Sie wehren sich gegen die Aufschüttung eines bis zu fünf Meter hohen Erdwalls direkt an der Ortsgrenze.

Möglichst viele Bürger sollen mitziehen

Die Bürger haben Informationsmaterial und ein vorformuliertes Schreiben an das Stuttgarter Regierungspräsidium flächendeckend im Flecken verteilt. Das Ziel: Möglichst viele sollen von ihrem Einspruchsrecht gegen die Pläne Gebrauch machen. Die Frist dafür wurde bekanntlich bis zum 15. September verlängert.

Allein Iris Calov hat 600 Briefe in Briefkästen gesteckt. „Das ist meine Art, Dinge anzugehen. Ich versuche, etwas anzustoßen“, sagt sie. Ihr Haus liegt an der Teckstraße und damit nur wenige Schritte von den Feldern entfernt, welche sich die Bahn als Fläche ausgeguckt hat. Anfang Juni war im Amtsblatt eine Bekanntmachung des RPs abgedruckt worden. Darin war zum ersten Mal von Bodenlagerflächen in Oberaichen die Rede. „Als ein Punkt unter ganz vielen“, sagt Calov. Eine Nachbarin, die das städtische Mitteilungsblatt immer ganz ausführlich liest, hat den Punkt entdeckt. So richtig publik wurde das Ganze dann bei einer Infoveranstaltung der Stadt im Oberaichener Pavillon.

Bei ihrer Rundtour durch den Flecken ist Calov mit vielen Bürgern ins Gespräch gekommen. Der Grundtenor der Gespräche: „Das ist ein Unding.“ Und: „Das kann ja wohl nicht sein, dass dies so überraschend kommt.“ Die Anrainerin fragt: „Fluglärm, innerstädtischer Verkehr wegen der Messe, Durchfahrtsort für zig Pendler: Haben wir hier nicht schon genug? Muss das jetzt auch noch sein, dass 200 Lastwagen täglich durch Oberaichen fahren?“

Calov und auch die Bürgergemeinschaft befürchten nicht nur eine deutlich höhere Verkehrsbelastung in Oberaichen, sondern auch erheblichen Lärm. „Das Bodenlager soll am höchsten Punkt des Ortes eingerichtet werden“, sagt Calov. „Der Lärm trägt sich dort weit.“ Bei Starkregen gibt es Schlammlawinen, bei Trockenheit Staub, ist in der Stellungnahme der BGO zu lesen.

Die Anwohnerin sorgt sich, dass die Wasserversorgung von Oberaichen beschädigt werden könnte. Stadtwerkechef Peter Friedrich bestätigt: „Unter diesen Feldern verläuft eine zentrale Wasserleitung.“ Auch er warnt deshalb davor, dort ein Bodenlager einzurichten. „Wenn dort permanent schwere Lastwagen drüberfahren, besteht die Gefahr, dass diese Leitung bricht.“ Wenn die Bahn also bei ihren Plänen bleibt, müsste die Leitung verlegt werden. Und „das ist nicht für 10 000 Euro zu haben“.

Die BGO hat in ihren Briefen auch die Adressen von vier Vorstandsmitglieder angegeben. Denn sie will die Einsprüche zunächst sammeln, einen Überblick über deren Anzahl erhalten und die Schreiben dann im September öffentlichkeitswirksam an die Stadtverwaltung übergeben. Unter den Oberaichener Bürgern kommt dies gut an. „Der Rücklauf ist sehr gut“, sagt der BGO-Vorsitzende Kurt Alber. Allein aus seinem Briefkasten hat er bereits 40 Schreiben gefischt. „Ich bin mir sicher, dass wir am Ende 100 Einsprüche gegen die Bahnpläne haben werden“, sagt er.

Die Bahn hat Felder bewusst ausgesucht

Die ausgeguckten Flächen gehören Landwirten und anderen Bürgern. „Meine Mutter ist eine davon“, sagt Alber. Sie wurde bisher nicht einmal angeschrieben. Ein Bahnsprecher sagt dazu: „Das ist das ganz normale Verfahren. Wir überlegen uns eine Fläche. Und das Eisenbahnbundesamt entscheidet schlussendlich, ob wir dort bauen dürfen.“ Seinen Angaben nach hat die Bahn die Felder bei Oberaichen ganz bewusst ausgesucht, da diese nur etwa ein Kilometer von der Baustelle an der Rohrer Kurve entfernt liegen.

Anwohner und auch die Stadt L.-E. fordern: Die Erde soll gelagert werden, wo sie ausgehoben wird. Der Sprecher sagt dazu: „Nördlich der Autobahn gibt es dafür keinen Platz.“ Man habe alternative Flächen in Richtung des Flughafens gehabt, erklärt der Sprecher. Dort wären aber noch mehr Ortschaften betroffen.

Die Bahn geht davon aus, dass der Erdaushub etwa ein halbes Jahr lang nach Oberaichen transportiert wird und dort dann zwei Jahre lang liegen bleibt. Danach muss der fruchtbare Filderboden wieder zurück an die Rohrer Kurve gebracht werden. Nach Berechnungen des Unternehmens werden bis zu zehn Lastwagen pro Stunde – also 80 Lastwagen pro Tag – in der Hochphase durch Oberaichen rollen.