Der Architekt Klaus Ranft hat in den 60er-Jahren das Wohngebiet Kelterrain in Echterdingen maßgeblich vorangetrieben. 50 Häuser tragen noch heute seine Handschrift. Vor 40 Jahren ist Raft viel zu früh gestorben. Seine Witwe erzählt.

Echterdingen - Es ist im Grunde nur ein Satz, wie ihn viele Ehefrauen zu ihren Männern sagen: „Reg’ dich nicht auf, heute Abend ist alles vorbei.“ Erika Ranft hat sehr oft über diese letzten Worte an ihren Klaus nachgedacht. Und auch jetzt steigen der 87-Jährigen dabei wieder Tränen in die Augen. Lustlos ist der Architekt damals vor 40 Jahren an ihr vorbeigelaufen. Er wollte an diesem Tag nicht arbeiten. Er sollte zu einer Eigentümerversammlung in den Schwarzwald fahren. „Wieder so ein verschenkter Nachmittag“, hatte er gesagt. Erika Ranft arbeitete gerade im Garten an der Echterdinger Kelterrainstraße, hat Blumen aus dem Boden gegraben. „Es war ein bitterkalter Novembertag“, sagt sie. Sie wollte ihren Mann beruhigen. Und sie wusste ja nicht, was an diesem Tag noch geschehen sollte.

 

Verdacht auf Herzinfarkt

Wenige Stunden später wird Erika Ranft angerufen. „Ihr Mann hatte einen Unfall“, heißt es am anderen Ende der Leitung. Klaus Ranft wollte wohl auf der Eigentümerversammlung gerade anfangen, zu sprechen, als er einen Schrei ausstößt, aus dem Saal läuft und im Gang zusammenbricht. Mit Verdacht auf Herzinfarkt wird er in ein Krankenhaus gebracht. Die Ärzte wissen aber nicht, was dem gerade einmal 49-Jährigen fehlt. Er wird nach Tübingen verlegt. Dort stellen die Mediziner einen Riss der Aorta fest, also der Hauptschlagader. Er wird auf Drängen seiner Frau operiert. Die OP am offenen Herzen gelingt zwar, auch eine Nachblutung kann gestillt werden. Klaus Ranft schafft es trotzdem nicht. Er hat zu viel Blut verloren. Und stirbt am 7. November 1976.

„Er ist von einem Tag auf den anderem aus dem Leben gerissen worden“, sagt Erika Ranft. „Ich habe dies lange Zeit überhaupt nicht verstehen können.“ Denn ihr Mann sei immer sportlich und gesund gewesen. Lediglich etwas Bluthochdruck habe er gehabt, und natürlich war da die Aufregung in seinem Beruf. Das kann auch Hans Huber, sein Hausarzt, bestätigen. „Er hat viel gearbeitet und deshalb auch viel Stress gehabt“, sagt er. Er habe ihm geraten, sich auch mal zu entspannen.

Er hat einen ganzen Ortsteil entworfen

Hans Huber hat Klaus Ranft auch privat gut gekannt. „Er war ein Machertyp. Er war sehr fleißig, wollte etwas bewegen.“ Ranft war ein solider Architekt, heißt es aus der Stadtverwaltung. Das Herausragende an ihm: Er hat in den 1960er-Jahren in der damals noch eigenständigen Gemeinde Echterdingen einen ganzen Ortsteil entworfen. Er hat das Projekt Kelterrain maßgeblich vorangetrieben. Etwa 50 Häuser, darunter schmucke Bungalows sowie ein Hochhaus, tragen auch heute noch seine Handschrift. Philipp Schwarz, der Leiter des städtischen Planungsamtes, spricht von einem „schönen, kleinen Stadtgebiet“ – das städtebaulich zwar nicht besonders heraussteche, damit aber ganz typisch für die 1960er-Jahre sei.

Die hiesigen Architekten hatten das Gebiet als nicht bebaubar erklärt, erinnert sich Erika Ranft. „Ein Nordhang ohne Sonne“, sagt sie. „Mein Mann hat zwei Jahre lang für eine private Umlegung gekämpft.“ Er habe wahnsinnigen Ärger gehabt, bevor alle Grundstücke getauscht worden waren. Zudem gab es dort kein Wasser, keine Kanalisation, keinen Telefonanschluss, keine Straßen. Die Grundstückseigentümer mussten das Geld für die Erschließung vorstrecken.

Zehn Jahre lang wurde im Kelterrain gebaut. Das Vorhaben war auch umstritten, erinnert sich Huber, der damals wie heute im Gemeinderat sitzt. Entstanden sei aber ein gutes Projekt, das sich bis heute bewährt habe. „Der Kelterrain ist immer noch ein begehrtes Wohngebiet“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler.

Von der DDR nach Stuttgart

Klaus Ranft selbst war ein Reingeschmeckter. Der Architekt ist in Flöha, einem Ort in Sachsen geboren und aufgewachsen. Sein Vater war Baumeister. Er hat in Dresden Architektur studiert.

Die Eheleute haben sich bereits in der Schule kennengelernt. Sie hat im Nachbarort Augustusburg gelebt. Bei einer Tanzstunde haben sie zueinander gefunden. „Er hat mich angeguckt, und ich war ihm vom ersten Moment an verfallen“, sagt Erika Ranft. „Das hat ein Leben lang gehalten.“ 1954 haben die Ranfts der DDR den Rücken gekehrt und in Stuttgart ganz neu angefangen. Ein Auftrag führte Klaus Ranft nach Echterdingen. Dort hat es ihm so gut gefallen, dass er bleiben wollte. Nach seinem frühen Tod hat Erika Ranft für die drei Töchter und sich den Lebensunterhalt verdient. Sie hat als Fotojournalistin gearbeitet und Keramik verkauft. Mittlerweile gibt es sieben Enkelkinder und zwei Urenkel. „Mein Mann hat sich immer eine große Familie gewünscht“, sagt sie. Leider konnte er sie nicht mehr miterleben.