Oberbürgermeister Fritz Kuhn bringt das Thema Kinderfreundlichkeit in die Stadtpolitik ein. Nur so lassen sich Verbesserungen fest verankern, schreibt Redakteurin Barbara Czimmer in ihrem Kommentar.

Stuttgart - Ist die Landeshauptstadt in den vergangenen Jahren kinderfreundlicher geworden? Oberbürgermeister Fritz Kuhn legt auf 50 Seiten Beispiel um Beispiel vor. Schon das ist beachtlich: die Versachlichung, eine Übersetzung von Bauchgefühlen in nachvollziehbare Tabellenformate. Das ist keineswegs Bürokratismus, sondern eine hilfreiche Methode, Fakten, Fortschritte und Niederlagen abzubilden.

 

Insofern hat das kinderfreundliche Stuttgart, 2004 noch als Arbeitsprogramm von CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster ins Leben gerufen, bereits einen großen Schritt nach vorn getan. Schuster hatte die Zeichen der Zeit erkannt und befürchtet, die Stadt würde weiterhin Einwohner, vor allem junge Familien verlieren, wenn die Lebensumstände für sie und ihre Kinder untragbar geworden wären. Schuster gewann Unternehmer für einen Förderverein und schuf das Amt der Kinderbeauftragten, gab ihr allerdings kein Budget. Dementsprechend wurde das Anliegen, die Lebensumstände für Kinder und Familien nachhaltig zu verbessern, fast 13 Jahre nicht tief genug in der Kommunalpolitik verankert – und blieb damit leider Kür.

Kinder gestalten den Plan mit

Sport- und Spielgelegenheiten, gesundes Aufwachsen, gleich verteilte Bildungschancen und ein sicheres Leben aber sind Kinderrechte, die 1989 von der UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurden. Insofern ist es Pflicht, sie auch zügig umzusetzen. Kuhn hat sich daran orientiert, auch an der Dringlichkeit der Themenfelder. Er hat die Ergebnisse einer Kinderbefragung genutzt und dadurch neue Handlungsfelder identifiziert. Welcher Erwachsene käme schon auf die Idee, dass Kindern Schmierereien an einer Hauswand unheimlich sind?

Es gibt unzählige Akteure, die mit Kuhn in dieses Boot gestiegen sind: Vereine, Schulen, Kitas, Jugendhilfeträger, Ehrenamtliche und das Kinderbüro im Rathaus. Gemeinsam und auf der Schuster’schen Basis haben sie vieles erreicht – zusätzliche Schwimmkurse, Sport für Kitakinder, Kulturpatenschaften, Fortschritte in der außerschulischen Bildung. Der Statusbericht ist demgemäß übersät mit Smileys. Doch er berichtet auch offen über Unverändertes, Unerreichtes, vor allem dort, wo die Verwaltung zu wenig Personal oder Geld hat.

Stadtplaner sind gefragt

Einige Folgen kennt jede Familie: Auf Plätzen und in innerstädtischen Nischen sind die baulichen Verhältnisse am Auto ausgerichtet; eher gibt es einen Parkplatz als einen Kletterparcours; eher sind die Bordsteine aus vermeintlichen Gründen der Sicherheit hoch statt abgesenkt und auch mit einem Kinderrad passierbar. Seit am Marienplatz und am Mailänder Platz die ersten Wasserspiele plätschern, wissen Eltern, was so unendlich fehlt in der Stadt: Wasser, autofreie Spielflächen, Sitzbänke zum Verweilen, Freiräume.

Es gibt weitere Baustellen: fehlender Wohnraum, soziale Sicherheit, eine gesicherte Betreuung auch für unter Dreijährige. Dabei ist eine Kommune nicht alleiniger Akteur. Aber auf Handlungsfeldern, auf denen eine Stadt alleine ackert, kann es vorangehen, je mehr Referate und Ämter eingebunden sind. Insofern war Kuhns Paradigmenwechsel richtig. Wenn sich auch der Gemeinderat der Sache annimmt, könnte Kuhn das Unicef-Zertifikat 2020, am Ende der Projektlaufzeit, vielleicht tatsächlich einheimsen.

barbara.czimmer@stzn.de