Ferdinand Piëch ist der unumschränkte Herrscher bei VW. Wer kontrolliert aber den Patriarchen?, fragt StZ-Wirtschaftschef Michael Heller.

Stuttgart - Ferdinand Piëch ist ein Phänomen. Längst dominiert er bei Volkswagen, zieht als Vorsitzender des Aufsichtsrats die Strippen beim atemberaubenden Expansionskurs des Autobauers. Aber jetzt baut er seine Macht noch ein Stück weiter aus. Immer mehr präsentiert sich der mittlerweile 75-Jährige wie der Patriarch eines Familienunternehmens, der auf kaum jemanden Rücksicht nehmen muss und sich als Glied einer Dynastie versteht. Volkswagen ist für ihn kein als Staatskonzern gegründetes Unternehmen, sondern ein Automobilhersteller, den bereits sein Großvater Ferdinand Porsche, der „Käfer“-Erfinder, und sein Vater Anton Piëch geprägt hatten. Als lebten wir in Zeiten der Monarchie, zieht jetzt Ferdinand Piëchs Ehefrau in den Aufsichtsrat ein. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil sie nicht den Großaktionär Porsche Holding, der die Interessen der Porsches und Piëchs wahrnimmt, vertritt. Sie stellt für Ferdinand Piëch eine unabhängige Machtbasis dar.

 

Welch ein Kontrast: gegenwärtig eilt Volkswagen von Rekord zu Rekord, ist auf seinem Weg zum größten Automobilhersteller der Welt kaum zu bremsen; der Konzern dehnt sich weltweit immer weiter aus, weiht demnächst bereits seine hundertste Fabrik ein; nichts, was auf Rädern fährt, ist vor den Wolfsburgern sicher – weder der Lastwagenbauer MAN, noch der Motorradhersteller Ducati. Wer mag da noch glauben, dass es sich bei den angeblichen Plänen zur Übernahme von Alfa Romeo nur um ein Gerücht handelt?

Ohne Piëch geht nichts

Aber die Machtverhältnisse in diesem global agierenden Konzern sind gelinde gesagt sehr einfach: Ohne Piëch geht nichts. Nun sprechen die wirtschaftlichen Erfolge nicht unbedingt dafür, dass dies bisher ein schlechtes Modell war. Aber der verantwortungsvolle Umgang mit einem Unternehmen, das rund 500 000 Männer und Frauen beschäftigt, verbietet es eigentlich, dass sich dort alles um einen 75-Jährigen dreht, der den Erwerb von Firmen wie Bugatti und Ducati veranlasst, als handele es sich um eine ganz persönliche Trophäensammlung.

Gewiss, in einer Aktiengesellschaft ist es der Vorstand, der die Geschäfte führt. Und die Chefs – bei der Wolfsburger Muttergesellschaft und bei Töchtern wie Porsche und Audi – leisten gute Arbeit. Aber es ist die Aufgabe des Aufsichtsrats, als Vertreter der Eigentümer, sämtliche Fäden zusammenzuhalten und darauf zu achten, dass alles einer vernünftigen Strategie folgt. Bisher ist da vor allem der Drang nach schierer Größe sichtbar, was keine besonders anspruchsvolle Zielsetzung ist. Dass auf der Eigentümerseite nur der Aufsichtsratsvorsitzende selbst wahrnehmbar ist, liegt auch daran, dass niemand bei den Porsches und Piëchs vergleichbaren unternehmerischen Ehrgeiz entfaltet. So droht in der Zukunft ein gefährliches Vakuum.

VW als geschlossene Gesellschaft

Offenbar traut sich niemand, Piëch in die Parade zu fahren. Die kritischen Töne von Kleinaktionären bei der Hauptversammlung verhallen fast ohne Resonanz; die Großaktionäre Porsche Holding, Katar und Niedersachsen stehen ebenso hinter Piëch wie Betriebsrat und IG Metall. So muss nur Ursula Piëch ein paar Seitenhiebe einstecken, weil ihr als gelernter Kindergärtnerin angeblich die Kompetenz für Übernahme eines Aufsichtsratsmandats fehlt. Diese Kritik ist reichlich vorurteilsbeladen. Wenn Frau Piëch als dritte Frau in den zwanzigköpfigen Aufsichtsrat einzieht, dann kann sie durchaus eine Bereicherung darstellen. Nein, gegen die 55-Jährige spricht nur, dass sie die Ehefrau des Aufsichtsratsvorsitzenden ist.

So vermittelt Volkswagen immer mehr das Bild einer geschlossenen Gesellschaft. Wohin das führen kann, war schon einmal im Jahr 2005 zu besichtigen, als der Skandal um Korruption und Lustreisen auf Firmenkosten aufflog. Zur Macht gehört als Ergänzung die Kontrolle. Aber wer kontrolliert Ferdinand Piëch?