StZ-Redakteur Andreas Müller meint zur CDU-Misere: Die Partei muss die Amtszeit des ehemaligen Ministerpräsidenten erst noch aufarbeiten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es sind noch die alten Reflexe. Sobald einer der ihren vom politischen Gegner angegriffen wird, scharen sich die Christdemokraten schützend um ihn. Doch der Beistand seiner Parteifreunde wird Willi Stächele (CDU) diesmal kaum retten. Die Frage ist nicht, ob er das Amt des Landtagspräsidenten abgeben muss, sondern wie lange es dauert, bis er diese Konsequenz - aus eigener Einsicht oder dazu gedrängt - selbst zieht. Wenn die Landtags-CDU gut beraten ist, lässt sie es nicht auf das Misstrauensvotum der Regierungskoalition ankommen, sondern regelt die Sache vorher mit Anstand intern. Zu gravierend ist der Verfassungsbruch, den der Staatsgerichtshof dem früheren Finanzminister soeben amtlich bescheinigt hat. Ausgerechnet der Parlamentschef hat bei einem Milliardengeschäft das Königsrecht des Parlaments ausgehebelt - damit hat Stächele auf Dauer jede Autorität verspielt. Wie ein schlechter Witz wirkt es, dass er neuerdings von den Abgeordneten verlangt, sich aus Respekt von den Sitzen zu erheben.

 

Nicht Stächele, sondern der frühere Ministerpräsident Mappus sei der Hauptverantwortliche für den EnBW-Deal - diese Verteidigungslinie der CDU wird nicht halten. Die Politik funktioniert eben nicht so, wie es der Ex-Premier seinen Parteifreunden vor der Wahl erklärt hatte. Man solle ihn nur machen lassen, beruhigte er sie angesichts kritischer Umfragewerte. Wenn es klappe mit der Verteidigung der Macht, hätten alle miteinander gewonnen, wenn es schiefgehe, nehme er das allein auf seine Kappe. Die CDU ließ ihn machen - und erschrak zusehends darüber, wie brutal er die selbst erteilte Handlungsvollmacht ausnutzte. Schon als Mappus die Wasserwerfer im Schlossgarten auffahren ließ, verstörte das reflektierte CDU-Leute zutiefst. "Das ist nicht mehr meine Partei", hieß es erstmals. Noch erschütterter waren klügere Christdemokraten über die Nacht-und-Nebel-Aktion, in der der Regierungschef den EnBW-Kauf durchzog; bis tief in die unionsnahe Wirtschaft hinein herrscht darüber immer noch Fassungslosigkeit. Dass Stächele selbst größte Bedenken hatte, zeigt der von ihm angefertigte Vermerk über die politische Erpressung in der Nacht vor dem Vertragsschluss. Hätte er seine Unterschrift verweigert, hätte er am nächsten Morgen zurücktreten müssen - mit fatalen Folgen für die Wahl. Doch der Versuch, der Haftung zu entgehen, musste ebenfalls scheitern. Genauso ohnmächtig waren die kritischeren Köpfe in der Landtagsfraktion.

Mitgefangen, mitgehangen

Nun rächt es sich, dass sich die CDU einem Politiker wie Mappus buchstäblich ausgeliefert hat. Mitgefangen, mitgegangen - das ist die Folge der Vasallentreue. Wenn die Partei irgendwann wieder regierungsfähig werden will, muss sie diese unselige Phase viel gründlicher als bisher aufarbeiten. Doch den Mandats- und Funktionsträgern fällt das ungleich schwerer als der Basis, wo der Spitzenkandidat teilweise schon im Wahlkampf Beklemmung auslöste. Im Fall Stächele hätte der CDU-Fraktionschef Peter Hauk die Chance, sich glaubhaft als Erneuerer zu profilieren. Er scheut sich jedoch, seinen Abgeordneten das Unvermeidliche nahezubringen. Zusehends fraglich erscheint auch, ob der frühere Generalsekretär Thomas Strobl der Richtige ist, um die CDU in eine bessere Zukunft zu führen. Eben noch ein Vertrauter des Vorgängers Oettinger, wandelte er sich - auch beim EnBW-Deal - zum blinden Propagandisten von Mappus; bis heute fehlt eine auch nur ansatzweise Distanzierung.

Wie eine Verhöhnung wirkt es, was Mappus im Beisein Strobls jetzt bei der Verabschiedung in seinem Heimatkreis sagte: "Lieber 15 Monate MP (Ministerpräsident) als gar nie MP." Was für ein entlarvender Satz! Klarer hätte Mappus kaum ausdrücken können, wie selbstbezogen und machtversessen er Politik machte. Für die CDU und das Land wäre es wohl besser gewesen, er wäre nie Ministerpräsident geworden.