Die Risiken bei der Behandlung ausländischer Patienten müssen abgedeckt werden, damit sich das Geschäft wirklich lohnt, kommentiert StZ-Autor Jörg Nauke.

Stuttgart - Der Medizintourismus in Deutschland, lange als Heilsbringer verehrt, gilt nun selbst als Patient. Selbstzahler aus den GUS-Staaten, auch Stammkunden für teure Gesundheitschecks und Schönheitskorrekturen, kommen nur noch für wichtige Operationen. An der auf russische Patienten spezialisierten Uniklinik Freiburg ist der Gewinn auf ein Zehntel geschrumpft. Auch die sinkende Nachfrage von Patienten aus der Golfregion stimmt Experten bedenklich. Die Länder investieren in die eigene Klinikinfrastruktur und streichen die Budgets für Auslandsbehandlungen zusammen – auch wegen Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Krankenhausleistungen und gesetzwidriger Patientenvermittlung in ihren Botschaften.

 

Misswirtschaft verunsichert Patienten

Aber auch das Klinikum Stuttgart hat seinen Beitrag zur Vertrauenskrise geleistet. Die Negativschlagzeilen über Misswirtschaft und überhöhte Abrechnungen verunsichern Patienten und haben die Branche aufgeschreckt. So mancher Krankenhausträger sieht sich gezwungen, den Betrieb seiner Internationalen Abteilung auf rechtskonformes Handeln zu überprüfen und die Geschäftsführung stärker zu kontrollieren. In Stuttgart hatte das der Klinikum-Chef quasi selbst erledigt.

Grundsätzlich ist der Medizintourismus ein Segen für die defizitären Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft und für Privatkliniken sowieso. Die ausländischen Patienten tragen dazu bei, Kapazitäten besser auszulasten, treten aber nicht in so großer Zahl auf, dass es zu Engpässen kommt und der Eindruck entstehen könnte, sie würden inländischen Patienten die Betten wegnehmen. Viele Häuser sehen aber nur die Chancen auf hohe Einnahmen. Wer im Geschäft mit ausländischen Medizintouristen die Gefahren unterschätzt, riskiert Zahlungsausfälle. Nebenwirkungen drohen erfahrungsgemäß dem, der immer noch auf Kostenübernahmegarantien von Botschaften vertraut. Nicht umsonst raten Experten, stets auf Vorauszahlung zu bestehen. Die Gefahr, auf Mehrkosten sitzenzubleiben, die während der Behandlung anfallen, ist dann noch immer hoch genug.

Gesetzgeber pocht auf einheitliche Pflegesätze

Zusatzeinnahmen, die den Handlungsspielraum der Kliniken erweitern, gibt es ohnehin nur, wenn die Risiken in die Rechnungen eingepreist werden. Solche Zuschläge untersagt aber der Bundesgesetzgeber. Er pocht auf die Einheitlichkeit der Pflegesätze. Lediglich höhere Aufwendungen zur Überwindung der Sprachbarrieren und für den höheren Organisationsaufwand dürfen separat abgerechnet werden.

Vor Ort sieht man das aus gutem Grund ganz anders. Die Unikliniken im Land werden vom Landesrechnungshof explizit aufgefordert, angemessene Deckungsbeiträge zu erheben, unter anderem zur Kompensation möglicher Zahlungsausfälle. Die meisten Kliniken handeln nach dieser Vorgabe und verlangen hohe Zuzahlungen – allerdings auch oft viel zu hohe. Die gelebte Praxis hat einen Wildwuchs an Abrechnungsmethoden zur Folge. Kostenträger und Patienten würden eine einheitliche Grundlage sicher befürworten. Die Internationalen Abteilungen gehören wenigstens streng kontrolliert, am besten wäre es, sie ließen sich alle zertifizieren. Von der Bundesregierung ist zum Thema Qualitätsmedizintourismus bislang nichts zu hören.

In Stuttgart wurden Zuschläge teils doppelt und dreifach erhoben. Diese Unart dürfte ein Motiv von Krankenhausbürgermeister Michael Föll sein, beim Neustart auf die bisherige Risikovorsorge und einen Beitrag zur Finanzierung der hiesigen Klinikinfrastruktur zu verzichten. Ohne Vorsorge aber wird die Behandlung ausländischer Patienten zum Verlustgeschäft und verliert ihren wirtschaftlichen Sinn. Föll müsste sich in seiner zweiten Funktion als Finanzbürgermeister dringend selbst zur Ordnung rufen und sich an den Empfehlungen des Rechnungshofs orientieren.