Die Bahn rechnet mit Mehrkosten von 370 Millionen Euro für Stuttgart 21. Die finanziellen Folgen der Schlichtung werden ganz neu ausgehandelt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Die Deutsche Bahn wird den Projektpartnern von Stuttgart 21 nach Informationen der Stuttgarter Zeitung in der Lenkungskreissitzung am Freitag eine komplett überarbeitete Kosten- und Risikobewertung vorlegen. Dabei übermittelt der Technikvorstand Volker Kefer, wie aus Kreisen des Aufsichtsrats zu erfahren war, drei Hauptbotschaften des Konzerns.

 

Erstens bewegten sich die Aufwendungen für Stuttgart 21 einschließlich aller identifizierten Risiken aktuell im Plan; allerdings sei die Einhaltung des Finanzrahmens während der Projektlaufzeit bis 2019 gegenüber dem Aufsichtsrat als anspruchsvoll und die Situation deshalb als "angespannt" bezeichnet worden. Darüber hat das Kontrollgremium am Mittwoch beraten. Dem Vernehmen nach wird das Unternehmen bis zum Jahresende bereits knapp die Hälfte aller Bauaufträge vergeben haben.

Laut aktueller Prognose, die auch dem Aufsichtsrat vorgestellt worden sei, liege das Vergabevolumen um 240 Millionen Euro über dem dafür vereinbarten Budget von 1,520 Milliarden Euro.

Bahn schätzt Kostensituation positiv ein

Zweitens hat die Bahn ihre Risikoerwartungen gegenüber den bisherigen Listen von vor einem halben Jahr angeblich deutlich von 1,2 Milliarden auf derzeit 370 Millionen Euro nach unten korrigiert. Zugleich stünden aus Sicht der Bahn-Verantwortlichen mehr Mittel zum Auffangen möglicher Kostensteigerungen zur Verfügung als der Risikopuffer von 438 Millionen Euro, heißt es weiter.

Da innerhalb der Projektkosten von 4,088 Milliarden Euro bereits Vorsorge für nominalisierte Baukostensteigerungen von gut 320 Millionen Euro getroffen worden sei, sei der Spielraum für die Abdeckung von Risiken im Rahmen des bisher vereinbarten Finanzrahmens mit etwa 760 Millionen Euro deutlich höher als bisher in der Öffentlichkeit diskutiert werde.

Obwohl die Bahn die Kostensituation anscheinend insgesamt relativ positiv einschätzt, muss das Land sich auf harte Verhandlungen über die während der Schlichtung vereinbarten Zusatzleistungen einstellen. Das Unternehmen beziffert diese Leistungen auf insgesamt 80 Millionen Euro; sie sind nach Auffassung von Bahn-Vorstand und Aufsichtsrat nicht durch die bisherigen Verträge über die Gesamtsumme von 4,526 Milliarden Euro abgedeckt und müssten von allen Projektpartnern gemeinsam getragen werden.

Landesregierung ist anderer Meinung

Diese Position steht im direkten Widerspruch zu der Auffassung, die die Landesregierung vertritt. Sie will nicht mehr als das bereits vereinbarte Investitionsvolumen mittragen. In der jüngsten Aufsichtsratssitzung der Bahn sei diese grün-rote Position als unvereinbar mit dem Schlichterspruch bewertet worden. Deshalb solle Technikvorstand Volker Kefer jetzt mit Rückendeckung des Kontrollgremiums über die Finanzierung verhandeln.

Unter den Schlichtungsauflagen schlägt dem Vernehmen nach das zweite Gleis für den Flughafen mit 35 Millionen Euro am stärksten zu Buche. Auf 18 Millionen Euro taxiert die Bahn die Aufwendungen für Signalanlagen; 17 Millionen Euro müssten für den gewünschten Steg A am Bahnhof vorgesehen werden. Die geforderte Verpflanzung von großen Bäumen werde rund 10 Millionen Euro zusätzlich kosten.

Dem Vernehmen nach sehen die Bahn-Verantwortlichen im Verhalten der Behörden ebenfalls ein nennenswertes Risiko für Kostensteigerungen. So sei etwa das Bundesverkehrsministerium in der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch aufgefordert worden, im Eisenbahnbundesamt mehr Personalstellen für Planänderungen bei Stuttgart 21 zur Verfügung zu stellen; in diesem Zusammenhang gelte der Fildertunnel auf Bahn-Seite als großes Problem. In den nächsten sechs bis neun Monaten wird sich angeblich entscheiden, ob der Tiefbahnhof, wenn er denn gebaut wird, pünktlich im Dezember 2019 oder erst ein Jahr später in Betrieb genommen werden kann.

Tunnelbauarbeiten stellen höchstes Kostenrisiko dar

Zwar hat die Bahn Ende dieses Jahres erst knapp die Hälfte der Bauaufträge vergeben und dabei Mehrkosten von 370 Millionen Euro bereits eingepreist. Alle bekannten Risiken, so hieß es im Umfeld des Aufsichtsrats, seien in der neuen Bewertung berücksichtigt. Bereits 90 Prozent der Aufträge für Tunnelbauarbeiten würden Ende des Jahres vergeben sein. Da in diesem Bereich nach Expertenmeinung das höchste Risiko besteht, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, rechnet der Bahn-Vorstand für die noch offenen Vergaben mit deutlich niedrigeren Kostenrisiken.