Die Lange Kunstnacht ist längst zu einem zentralen Gesellschaftsereignis geworden. Neben der Präsentation der kreativen Vielfalt heimischer Künstler ist die zwölfte Auflage des Spektakels ein Forum der Kommunikation und Geselligkeit.

Leonberg - Die Kunstnacht beginnt, und die Becher kommen, in kurzer Zeit werden es immer mehr. Noch ist es nicht ganz dunkel, so dass sich die Schönheit der beleuchteten Stelen auf dem Marktplatz nicht ganz entfalten kann. Dennoch ziehen sie die Menschen an, Fotos werden gemacht. In der Nacht leuchten sie dann in sattem Grün, Gelb, Rot, Orange und Lila. Alle fünf Säulen haben ein unterschiedliches Design – geometrisch, poetisch und dreidimensional beweglich.

 

Die Module mit dem Namen Di hat die Firma Gahrens und Battermann im Auftrag des Stadtmarketings aufgestellt. Sie geben eine schöne Kulisse ab, als das Duo „Bords de Marne“ davor Straßenmusik spielt. Der Kreis der Zuhörer wird immer größer. Zuvor hat Rytmix, der Pop-Chor des Liederkranzes 1840 Leonberg, vor dem Eine-Welt-Laden das Publikum mit Songs wie „Ich war noch niemals in New York“ begeistert.

Das Rätsel der Zigarettenschachteln

Fetzige Pop- und Rock-Musik der Band Boodoo schallt aus dem Galerieverein heraus und zieht die Menschen automatisch hinein. Hier sind die Arbeiten von Bruno Mascarelli aus der Leonberger Partnerstadt Rovinj zu sehen. Blickfang im Obergeschoss ist die Collage „Neue Bandeirantes“, die sich aus Zigarettenschachteln zusammensetzt, die der Künstler teilweise übermalt hat. Besucher versuchen, die Schachteln Marken und Ländern zuzuordnen.

In der Anwaltskanzlei Flegl betrachten zwei Frauen das Birkhuhn von Inge M. Flegl. „Der gefällt mir. weil er so frech guckt“, sagt eine der beiden. Auch die Gestaltung des Hintergrundes sagt ihr zu. „Den würde ich mir in die Küche hängen, aber es muss eine große Küche sein.“.

Vor dem Atelier von Michael Schönpflug sind zahlreiche Kunstnacht-Besucher um Tische herum im Gespräch. Auch im Inneren ist ordentlich was los. Nicht anders ist es beim Zeitungs-Kiosk von Peter Feichter. Innen unterhält sich der Maler mit seinen Gästen, außen an den Tischen Trauben von Menschen. In der Kunstnacht geht es eben nicht nur um Kunst, es ist die Gelegenheit, sich mit Freunden und Bekannten zu treffen und zu diskutieren.

Angenehme Temperaturen laden zum Verweilen ein

Auch Doris Noeske begrüßt im ihrem kleinen Atelier in der Schlossstraße Bekannte. Antje Kauffmann, deren Gemälde derzeit im Renninger Rathaus zu sehen sind, schaut ebenfalls vorbei. Nicht weit entfernt im Fundus zeigt Christine Rummel, wie sich mit Filz und anderen Stoffmaterialien künstlerisch arbeiten lässt.

Spät in der Nacht sind bei den angenehmen Temperaturen immer noch viele Menschen in der Stadt unterwegs. So trifft man in der Galerie im Künstlerhaus auf Besucher, die sich über die Kunstwerke, die aus dem Partnerbezirk Berlin-Neukölln kommen, austauschen. Allmählich beginnen die Füße zu schmerzen.

Aber Zeit, eine Runde bei „Only Women“ zu drehen, muss sein. Dort werden Karikaturisten und Cartoonisten, die den Deutschen Preis für die politische Karikatur bekommen haben, mit ihren Werken gezeigt. Scharf in ihren Aussagen halten sie der Gesellschaft den Spiegel vor.

Eindrücke von der Langen Kunstnacht

New York, Tokio, Perouse

Fotos
Im Stadtmuseum erwarten den Besucher die etwas anderen Fotos von Joachim Michael Feigl. Die Serie im Erdgeschoss läuft unter dem Titel „Die Unnahbaren“. Darauf Bäume in verlassenen, oft menschenleeren Städten, alles ein wenig verschwommen. Dabei kombiniert Feigl Orte wie New York, Los Angeles, Tokio, Arles und Hamburg mit Perouse und Schwieberdingen. Diese Nebeneinanderstellung findet sich auch bei den farbigen Bildern der Serie „Boulevard“ im Obergeschoss. Bei der Schwarz-Weiß-Serie „mom,dad,dog“ kommt ein anderes Phänomen hinzu. „Wir haben selbst seit viereinhalb Jahren einen Hund, der hat einiges in unserem Leben verändert“, sagt der Künstler. Das war ausschlaggebend für Feigl, die unterschiedlichen Rollen eines Hundes in Familien in Fotos zu thematisieren: Da findet sich nun die Familie in China, in der der Hund nur Spielzeug fürs Kind ist. Daneben ein schwules Paar in den USA, zwischen denen der Dackel und das adoptierte Mädchen sitzen, als einer der Männer eine Geschichte vorliest.

Scherben im Schaufenster

Installationen
Weckt es Vertrauen, wenn bei einem Raumausstatter Scherben im Schaufenster zu sehen sind? Im Fall der Firma Haug in der Grabenstraße lässt sich die Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten. Denn die weißen Porzellanbruchstücke, zwischen denen man auch weiße Eier entdeckt, gehören zu der Installation „Stückwerk“. Wer noch immer rätselt, wer sie geschaffen haben könnte, merkt spätestens beim Betreten der Räumlichkeiten, dass hier Arbeiten von Rose Fiedler zu sehen sind: Bei ihr dreht sich (fast) alles ums Ei – sie verarbeitet Hühner- oder Gänseei sowie Eierschale künstlerisch. Da sieht man Eier auf Eisenständern, Holz und Seekiefer oder Eierschale auf Acrylglas und Holz. „Was ist denn das?“, fragt eine Frau ihren Begleiter: Hinten in den Räumlichkeiten geht es einmal nicht ums Ei. Hier zeigt Fiedler Schutzengel aus Draht und gebrauchten Teefiltern auf einem Glasstiel.

Weitere Eindrücke von der Langen Kunstnacht

Der Teufel vor dem Tor

Skulpturen
Vor Hans Mendlers Atelier stehen drei Holzskulpturen, darunter der Teufel mit zwei schwarzen Hörnern. Soll man da wirklich hineingehen? Die Besucher, die zahlreich durch das Tor im Erdgeschoss des Fachwerkbaus strömen, hält der Beelzebub nicht ab. Gegen 19.30 Uhr ist es trotz des Andrangs noch möglich, die Arbeiten des Künstlers ohne Probleme zu betrachten und sich darüber auszutauschen. Neben dem Schreibtisch trifft man auf die bekannte Skulptur des Leonberger Hundes. Das Jackett des Künstlers hängt über dem Schreibtischstuhl, als hätte Mendler ihn gerade verlassen. Er selbst ist aber nicht zu sehen.

Menschen werden Künstler

Lochkamera
Wenn sich durch die besonderen Belichtungszeiten der Lochkamera bei Joachim Michael Feigl menschenleere Orte auf den Fotos ergeben, dann führt dieses Werkzeug auch bei Przemek Zajfert zu außergewöhnlichen Fotografien. Seine Bude steht in der Kunstnacht gegenüber vom „Domizil“, die Besucher stehen fasziniert vor den Bildern. „Ich bin entweder auf der Straße, oder ich mache Ausstellungen“, sagt der gebürtige Pole aus Breslau. „Ich beziehe die Menschen mit ein und mache sie zu Künstlern“, sagt er über seine Mitmachprojekte. Vor der Bude finden sich kleine Kästen mit Filmen und Beschreibungen, wie das Fotografieren funktioniert. Zajfert verkauft die Boxen überallhin, und so sind auch Motive aus der ganzen Welt bei ihm zu sehen. „Die Art , so zu fotografieren, liegt in der Familie“, betont Zaijfert. Er selbst hat sein Wissen bereits an seinen Sohn weitergegeben.

Noch mehr von der Langen Kunstnacht

Eine Box Mit Kommentaren

Knastkunst
Vor dem Haus der Begegnung trifft der Besucher auf zwei Prachtexemplare von Leonbergern. Sie gehören zu Robert Krauss, der die Ausstellung dort mit Arbeiten von Insassen der Justizvollzugsanstalt Heimsheim initiiert hat. Christel Luckscheiter-Raub , die die Malgruppe leitet, steht den Besuchern in der Kunstnacht Rede und Antwort. Die Bilder tragen Titel, aber keine Namen. Auffallend ist, dass sie sehr farbenfroh sind. An der Säule befindet sich ein Kasten, in dem Besucher Meinungen und Kommentare zu der Ausstellung abgeben können. Ursula Schwarz leert diese Box mehrmals in dieser Nacht. Wie Robert Krauss am Sonntag berichtet, hat es 20 Rückmeldungen gegeben – darauf durchweg positive Kommentare, konkrete Fragen zu den einzelnen Bildern, zu ihrer Entstehung, den Motiven und den Möglichkeiten, sie zu erwerben. Auch in den Gesprächen mit den zahlreichen Besuchern seien sie immer wieder ermuntert worden, das Projekt weiterzuführen.