Der Eltinger Heimatforscher Konrad Fröschle blickt auf den in Vergessenheit geratenen Richtplatz am Längenbühl.

Leonberg - Droben im Längenbühlwald erhebt sich wenige hundert Meter nördlich vom Längenbühlhof etwa 30 Meter seine Umgebung überragend, der unscheinbare Galgenberg. Der war ehemals Hochgericht des Vogts von Leonberg.

 

Der ebenfalls bewaldete Hügel führt ein Dornröschendasein. Das ist besser als wenn dort, wo der Boden öfters rot eingefärbt war, ein Tummelplatz wäre. Das Gelände gehört zur Markung Eltingen. Der Baumbestand war lange Zeit Leonberger Spitalwald. Diese mittelalterlichen Spitäler waren oft gleichzeitig Krankenhaus, Armenhaus und Altersheim. Die Suppen sollten dort recht dünn gewesen sein.

Am Berg ist selbst der östliche Auffahrtsweg für die einstigen Schinderkarren, mit dem die Verurteilten gebracht wurden, mittlerweile überwachsen. Sehr wahrscheinlich hat Christian Wagner in seinen Jugendjahren, wie er sich ausdrückt, „des Schafotts vermorschendes Gestühle“ noch stehen sehen. Bisher hat noch niemand recherchiert, ab wann und wie viele Hinrichtungen dort vollzogen wurden. Das Datum der letzten steht fest. Sie war am 3. Februar 1810.

Als die Nacht noch still war

Es ist klar, dass Galgenberggeschichten Gesprächsstoff in den Spinnstuben der umliegenden Dörfer waren. Vor Motorisierung und Elektrifizierung waren die Nächte noch Nächte, Stille noch Stille. Da gab es auch Spukgestalten wie den Schimmelreiter, der mit dem Kopf unterm Arm den Spätheimkehrern den Weg da oben versperrte. Die Erzähltradition ging etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts zu Ende.

Auf Erzähltes ist man beim Galgenberg nicht mehr angewiesen. Die Justizfälle sind dokumentiert. Die Unterlagen werden in den Archiven aufbewahrt.

Die Todesstrafe erfolgte in der Regel nicht mehr durch Erhängen, sondern durch Enthaupten. In schlimmen Fällen durch Rädern mit vorheriger Folter. Da war man damals nicht zimperlich. Der Körper des Toten wurde einige Tage unter Bewachung an den Galgen gehängt. Der Kopf nebenan auf einem spitzen Holzpfahl aufgesteckt. Es lässt sich denken, dass das Wachpersonal raue Burschen waren. So sollen diese mit dem Kopf einer Toten schon mal Fußball gespielt haben. Es gab in Leonberg noch eine Richtstätte – und zwar am Bildstöckle. Und wenn es eilig war, wurde schon mal an den Stadttoren ein Galgen aufgestellt und ein Übeltäter aufgeknüpft.

Die hier bildlich auf zwei Blättern dargestellte Doppelhinrichtung war nicht auf dem hiesigen Galgenberg, sondern am 12. Oktober 1819 in Böblingen. Also noch nicht mal 200 Jahre her. Hingerichtet wurde der Vatermörder August Hahn aus Magstadt und sein Schwager Friedrich Waldenmaier aus Eltingen. Den beiden ging es mit der Erbe-Auszahlung zu langsam. Und so haben sie schließlich August Hahns Vater im Wald erschlagen. Als einzige Milderung hat der König Waldenmaier den schnelleren Tod durchs Schwert zugestanden. Beide wurden zuerst durch Pferde zur Richtstätte geschleift. Im Hintergrund links steckt der Kopf von Friedrich Waldenmaiers bereits auf einem Holzpfahl. Im Vordergrund wird der Hauptschuldige August Hahn vom Henker mit dem Rad getötet. Viel Volk war als Zuschauer gekommen. Das war von der Obrigkeit so gewollt. Man wollte Exempel statuieren.

Auch diese fünf Menschen wurden hingerichtet

Für den hiesigen Galgenberg im Längenbühlwald sind Hinrichtungen über einen Zeitraum von fast 250 Jahren dokumentiert. Davon fünf Fälle.

Am 18. April 1573 wird die Magd Magdalena Brodbeck aus Warmbronn hingerichtet. Sie hatte mit ihrem Brotherrn, dem Bauern Jakob Müller ein Verhältnis. Aber es gab eine Ehefrau, die den beiden im Wege war. Bauer und Magd beschlossen, diese umzubringen. Sie wurde vom Bauern mit dem Beil erschlagen. Der geständige Bauer wurde in Stuttgart mit dem Rad hingerichtet. Die Magd gestand nicht. Sie wurde an der Richtstätte lebendig eingegraben und ihr einen Pfahl durchs Herz geschlagen.

Dem Hexenwahn zum Opfer fiel Anna Mauer, ebenfalls aus Warmbronn. Als vermeintliche Hexe sollte sie nach richterlichem Urteil „mit dem für wer zu Eschen und Bulffer“ verbrannt werden. Man hatte ihr vor dem Scheiterhaufen die schnellere Todesart des Enthauptens gewährt. Das war im Jahr 1628.

Am 20. April 1681 wird Katharina Guldenmann von Eltingen auf der Richtstätte enthauptet. Nicht zu verwechseln mit Katharina geborene Guldenmann, die in den Hexenprozess verwickelte Mutter von Johannes Kepler. Zwischen beiden Frauen liegen etwa 150 Jahre. Anna, die ledige Tochter von Katharina Guldenmann, gebar ein Kind. Die Alte drängte von Anfang an das Kind beiseite zu schaffen. Schließlich erwürgte sie es. Der Vorgang konnte natürlich nicht vertuscht werden.

Katharina wurde zu harten Verhören in Leonberg eingesperrt und auf dem Galgenberg enthauptet. Die Angaben der Kindsmutter über den Kindsvater wurden vom Gericht als falsch eingestuft. Sie selber wurde ausgepeitscht und aus dem Land gewiesen. Wem das widerfuhr, tat gut daran, sich nicht mehr sehen zu lassen.

Am 28. Mai 1790 schlug für den Ditzinger Conrad Keller auf dem Hochgericht die letzte Stunde. Er war zum Vatermörder geworden, Er wurde gerädert, bekam die rechte Hand abgeschlagen und wurde mit dem Rad zu Tode gebracht. Kopf und Hals auf einen Pfahl gesteckt. Neugierige, die den von Leonberg kommenden Schinderkarren begleiteten, mussten durch Wachen abgehalten werden, die Felder zu zertrampeln. Laut dem damals erschienenen „Schwäbischen Merkur“ hatte die Exekution etwa 1000 Zuschauer angelockt.

Am 3. Februar 1810 wurde Catharina Mayer aus Merklingen/Höfingen wegen Gattenmordes auf dem Galgenberg „mit dem Schwerdte vom Leben zum Tode gebracht“. Die Mayerin hatte neben der Ehe eine Beziehung zu einem 19-jährigen Provisoren. Der Ehemann war im Weg. Sie kochte ihm seine Leibspeise – mit dem entsprechendem Quantum Gift. Der plötzliche Tod des Mannes machte stutzig. Es gab Untersuchungen. Der Mayerin zum Verhängnis wurde, dass es damals schon gute Apotheker und Chemiker gab. Sie wurde überführt. Ihr Geliebter starb 1813 im Befreiungskrieg gegen Napoleon. Es war die letzte Hinrichtung dort. Anfang des 19. Jahrhunderts war dem Leonberger Vogt die Blutgerichtsbarkeit entzogen worden.